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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Vorsichtig, getrieben von dem Verlangen, wenigstens ein paar der allgegenwärtigen Geheimnisse dieses Waldes auf den Grund zu gehen, schlichen sie weiter bergauf. Der Pfad erklomm eine baumbestandene Kuppe, von der aus man die nähere Umgebung überblicken konnte. Als die beiden Gefährten die Steigung schnaufend hinter sich gebracht hatten, bot sich ihnen unvermittelt ein Anblick, der nichts als ungläubiges Staunen auf ihren Gesichtern zurückließ. Etwa einen Steinwurf entfernt, befand sich eine Lichtung im Wald, auf der bequem drei Tileter Kriegsschiffe Platz gefunden hätten. Die gesamte Fläche war von Kratern und Schleifspuren zerfurcht, als hätte man einen riesigen Pflug quer durch die Lichtung gezogen. Doch was den beiden hartgesottenen Tileter Beutelschneidern beinahe die Augen aus den Höhlen trieb, waren Hunderte von kleinen Wesen, die ganz offensichtlich die Verursacher dieser Verwüstung darstellten. Wurzelbälger, wohin man sah, machten sich an bereits gefällten oder noch stehenden Bäumen zu schaffen. Eine Traube der Kreaturen umschwärmte gerade eine mächtige umgelegte Tanne, wodurch kaum mehr etwas von dem Nadelbaum zu sehen war. Sie bewegten sich so koordiniert wie ein Vogelschwarm, während sie Äste und Wurzelwerk vom Stamm abtrennten. Nach wenigen Augenblicken ließen sie wieder ab von dem eben noch so ausladenden Baum, der sich nun wie durch Zauberhand in einen säuberlich entasteten Stamm und einen großen Haufen unterschiedlich langer Äste und Wurzeln zerteilt hatte. Eine neuerliche Flut kleiner Wesen wogte über den nunmehr kahlen Stamm hinweg, und ohne ersichtliche Mühe erhob sich dieser, getragen von unzähligen winzigen Händen, in die Luft. Als hätte das schwere Holz plötzlich Füße bekommen, verließ es die Lichtung entlang einem ebensolchen Forstpfad, wie ihn die beiden Diebe bis hierher benutzt hatten. Ein anderer Schwarm hatte sich kreisförmig um den Fuß eines noch stehenden Baumes versammelt, worauf die emsigen Waldarbeiter begannen, sich wie Kaninchen in die Erde zu wühlen. Dazu benutzten sie ihre kräftigen Hinterbeine, vermieden es aber dabei, sich gegenseitig mit Erde zu bewerfen. Als wären sie ein einziges Wesen mit Hunderten von grabenden Gliedmaßen, wurde der Aushub von einem zum anderen weitergeschafft und am Rande des Kreises, den sie um den Stamm gebildet hatten, ausgeworfen. Dabei legten sie eine Geschwindigkeit an den Tag, die die Beobachter schwindeln ließ. So unfassbar war das Treiben dieser gnomenhaften Waldwesen, dass Rai und Barat eine Weile nur mit aufgeklappten Mündern dastanden, ohne ein Wort von sich geben zu können.
    »Ich will nach Hause«, sagte Rai schließlich mit flacher Stimme. Es schien ihm, als wären die Mauern der bislang vertrauten Wirklichkeit in sich zusammengestürzt. Dadurch offenbarte sich ihm nun der Ausblick auf eine neue befremdliche Welt, deren Vielschichtigkeit seine eigene Existenz bis zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen ließ. War das die Strafe der Götter für den Versuch, seinem alten Leben auf den Straßen Tilets zu entrinnen? Die Himmelsherrscher ersannen die absonderlichsten Wege, den Sterblichen ihre Stellung im Gefüge der Schöpfung zu veranschaulichen. Ihnen galt er nicht mehr als dem König eine Kupfermünze in seiner Schatzkammer, dachte Rai.
    »Willst du sehen, wohin sie die Bäume bringen?«, fragte Barat plötzlich.
    »Was? Bist du verrückt?«, entgegnete Rai fassungslos.
    Barats Augen leuchteten. »Wieso? Hast du Angst, mein junger Freund?«
    »Ja, verdammt! Das sind Hunderte von denen! Und wer weiß, was sie mit uns tun werden, wenn wir sie stören!«
    »Sie haben uns doch schon längst bemerkt. Und? Haben sie uns bisher etwas angetan, du hasenherziger Sohn eines Tileter Pflastersteins?«
    Rai stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht verspotten!« Er ballte die Fäuste. »Du wirst das noch bereuen!«
    »Ahh, so gefällst du mir schon besser«, antwortete Barat. »Und jetzt komm!« Daraufhin ließ er seinen verdutzten Gefährten einfach auf der Hügelkuppe stehen und stieg hinab zu den unbeirrt weiterschwärmenden Wurzelbälgern. Rai verharrte einige Momente unschlüssig an Ort und Stelle, bis er mit einigen derben Verwünschungen auf den Lippen seinem Freund nachfolgte.
    Tatsächlich kümmerten sich die kleinen Wesen nicht im Geringsten um die beiden Menschen. Sie gaben noch nicht einmal zu erkennen, ob sie diese überhaupt wahrnahmen. Geschäftig

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