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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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unerträglich. Er musste ihm helfen, ganz egal wie.
    Zunächst suchte er sich einen Stein, den er mit Hammer und Meißel so lange bearbeitete, bis eine halbwegs scharfe Kante entstanden war. Danach wusch er mit dem Wasser aus dem Lederschlauch den gröbsten Schmutz von der entzündeten Stelle am Bein seines Freundes, obwohl er sich nicht im Geringsten darüber im Klaren war, ob diese Reinigung Barat helfen würde. Auf den Straßen hatte es immer geheißen, ein bisschen Dreck fördere die Heilung und härte ab. Aber was wussten die Leute auf der Straße schon von der hohen Kunst der Medizin – Rai konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der rote Steinstaub irgendetwas Nützliches in Barats Wunde bewirken sollte, und deshalb erschien es ihm wichtiger, genau erkennen zu können, wo er zu schneiden hatte. Dafür verzichtete er gern auf die mögliche heilsame Wirkung des Höhlenschmutzes.
    Er atmete tief durch, ergriff den geschärften Stein und setzte an. Bei der ersten Berührung stöhnte Barat so laut auf, dass Rai vor Schreck das Schneidewerkzeug aus der Hand fiel. Sein Freund war zwar nicht erwacht, dennoch nahm er die Schmerzen offensichtlich deutlich wahr. Auch ein zweiter Versuch scheiterte an der Gegenwehr des Veteranen. Schließlich setzte sich der kleine Dieb rittlings auf Barats Beine, um diese einigermaßen ruhig zu halten. Mit zusammengebissenen Zähnen ignorierte er das Stöhnen und Zucken seines Gefährten, um das unangenehme Werk zu Ende bringen zu können. Ein beherzter Längsschnitt öffnete die Wunde. Anblick und Geruch verursachten Rai Übelkeit, doch er durfte jetzt nicht nachlassen. Mit angehaltenem Atem massierte er die Wundränder, um den gesamten Entzündungsherd vollständig herauszuarbeiten. Zwischendurch spülte er die Verletzung immer wieder sorgfältig mit frischem Wasser aus. Endlich schien nur noch sauberes Blut aus der Wunde zu quellen. Erleichtert wusch er das Bein noch ein letztes Mal ab, worauf das brodelnde Gefühl des Ekels in seinem Magen langsam verebbte. Stoff zum Verbinden der Wunde konnte weder er selbst noch sein angeschlagener Freund entbehren. Das wenige, was ihnen noch an Kleidung geblieben war, starrte außerdem mittlerweile vor Dreck, und so entschied sich Rai auch in diesem Fall dafür, die Straßenweisheit über den gesundheitsfördernden Schmutz zu ignorieren, da damit unmöglich ein Verband aus derart verkommenem Material gemeint sein konnte.
    Erschöpft kauerte er sich an die Stollenwand und umklammerte seine Knie mit den Armen. Die wenigen Tage in diesem feuchten, stinkenden Gefängnis erschienen ihm wie eine Ewigkeit. Er fühlte sich ausgebrannt. Am heutigen Tag hatte er aus Sorge um seinen Kameraden noch keinen einzigen Brocken Rötel geschlagen, und die unter Lebensgefahr ergatterten Vorräte neigten sich erschreckend rasch dem Ende zu. Aber warum sollte er sich auch mit dem Schürfen abmühen, wenn ihm die Möglichkeit, das Erz für Nahrung einzutauschen, ohnehin verwehrt blieb? Den Stein konnte er schließlich nicht essen. Rai war kein Mensch, der schnell aufgab, aber nun war er an einem Punkt angelangt, an dem er einfach nicht mehr weiterwusste. Sein einziger Freund war todkrank, seine Vorräte würden spätestens morgen Abend verbraucht sein, und die Tauschkammer war nach den Verwicklungen des Vortags für ihn endgültig tabu. Zutiefst verzweifelt ließ er sich schließlich vom sanften Vergessen des Schlafes übermannen.
    Ein Paar schmutziger Beine am Eingang zu seinem Querschlag ließ ihn aufschrecken. In der Annahme, Ulag hätte einen seiner Halsabschneider geschickt oder wäre gar selbst in die zweite Sohle hinabgestiegen, um sich Rai vorzunehmen, sprang er wie von der Tarantel gestochen auf. Doch statt des behaarten Riesen, der durch den Hauptstollen wahrscheinlich nicht einmal auf allen vieren hindurchgepasst hätte, stand er nun einem drahtigen Jungen gegenüber, etwa so groß wie er selbst, aber wohl ein wenig jünger. Klare blaue Augen blickten ihm erstaunt aus dem erzfarbenen Gesicht entgegen.
    »Hallo«, murmelte Rai.
    »Tag!«, erwiderte der Junge.
    »Ali, was willst du denn?«, fragte der Tileter misstrauisch und überprüfte sogleich mit einem verstohlenen Blick, ob seine Schuhe noch an seinen Füßen saßen. Aber alles war, wo es sein sollte.
    »Du bist doch der Kerl, der zwei Auseinandersetzungen mit Ulag überstanden und den Xelitenanführer verprügelt hat?«, erkundigte sich der Halbwüchsige mit glühender Bewunderung in

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