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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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eindeutig jemand aus Richtung der Blindschächte. Die böse Vorahnung, dass Ulag ihm möglicherweise bis hier unten gefolgt war, ließ ihn aufspringen. Doch im Lichtschein seiner Kerze tauchte die unverkennbare Gestalt des Einäugigen auf.
    »Bei allen Göttern«, brach es aus Rai heraus, »bin ich froh, dich zu sehen! Ich dachte schon, das haarige Monstrum wäre mir hierher gefolgt!«
    Narbengesicht blieb stehen und musterte den Jungen eingehend. Der Ausdruck in seinem einzigen Auge war nur schwer zu deuten.
    »Ich wollte mich noch bei dir bedanken«, setzte Rai hinzu, »für deine Hilfe vorhin gegen diesen wahnsinnigen Stockschwinger. Du hast mir wirklich das Leben gerettet. Danke!«
    Sein wortkarges Gegenüber schüttelte nur den Kopf, während er den Blick unverwandt auf den kleinen Tileter gerichtet hielt.
    »Was ist los?«, fragte dieser unsicher.
    »Du begreifst es immer noch nicht, oder?« Es war mehr Feststellung denn Frage. Als Rai nur ein verständnisloses Schulterzucken zuwege brachte, fuhr Narbengesicht mit schneidender Kälte in der Stimme fort: »Du musst endlich verstehen, dass alles seinen Preis hat, erst recht hier unten.«
    »Ach so, ja«, bestätigte der Dieb eilig, »ich bin natürlich bereit, dir für dein Eingreifen wie ausgemacht die Hälfte meiner eingetauschten Waren zu überlassen.«
    »Das meine ich nicht«, entgegnete der Einäugige. »Was glaubst du, wie Ulag den Tumult beendet hat?«
    Rai wusste keine Antwort.
    »Er packte zwei Sklaven an den Haaren und schlug so lange ihre Schädel gegeneinander, bis er wieder die ungeteilte Aufmerksamkeit der Menge genoss. Verstehst du? Diese beiden haben mit dem Leben dafür bezahlt, dass ich dir geholfen habe.«
    Erschüttert sank der junge Tileter gegen die kühle Steinwand. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Warum hast du mir dann überhaupt geholfen?«
    »Du hast Mut und Können bewiesen beim Kampf gegen den Xeliten, und er hatte mit seinem Flammenstab einen unangemessenen Vorteil«, antwortete Narbengesicht etwas weniger grimmig. »Außerdem mag ich keine Priester.«
    War das eine vage Andeutung von Humor gewesen in dieser letzten Feststellung? Rai wollte es kaum glauben. Etwas mutiger fragte er weiter: »Hat sich Ulags Zorn denn nicht auch gegen dich gerichtet, weil du dich in den Kampf eingemischt hast?«
    »Ich glaube nicht, dass er gesehen hat, wer das war«, erwiderte der Narbengesichtige. »Oder er lässt mich in Frieden, weil ich wahrscheinlich der Einzige in diesem ganzen Bergwerk bin, der ihn nicht fürchtet.«
    »Wie kann man denn einen Mann wie Ulag nicht fürchten?«, erkundigte sich Rai fasziniert.
    »Es gibt nichts, was er mir noch nehmen kann.« Die Begründung kam dem Einäugigen so nüchtern über die Lippen, dass Rai nicht anders konnte, als in dessen entstelltem Gesicht nach einer Gefühlsregung zu forschen. Doch als wolle er jegliche Deutung seiner Empfindungen unterbinden, senkte Narbengesicht den Kopf und betastete die rot verkrustete Wunde über seinem Auge.
    Nach kurzem Schweigen sagte er merklich kühler: »Du bist in dieser Mine schlecht beraten, wenn du für jemanden ein Risiko eingehst, und ebenso, wenn du dich jemandem verpflichtet fühlst oder dich gar freundschaftlich mit ihm verbindest. Das macht dich schwach und angreifbar. Deshalb komm nicht auf die Idee, ich würde dir auch weiterhin Schutz gewähren. Jeder sorgt für sich allein, erwarte von mir keine weitere Hilfe.« Mit diesen barschen Worten schob er den verwirrten Dieb zur Seite, um seinen Weg gangabwärts fortzusetzen. Im Vorbeigehen warf er einen Blick auf Barat, dessen rot glühendes Bein selbst im unsteten Kerzenschein nicht zu übersehen war.
    »Du musst die Wunde aufschneiden und den Eiter rausholen, sonst wird dein Freund sein Bein verlieren, wenn nicht sogar sein Leben.« Ohne sich noch einmal umzublicken, ließ der rätselhafte Mann die beiden Tileter hinter sich.

 
REISSENDE FLUTEN
     
    A ls Barat bis zum Abend des nächsten Tages noch immer nicht aus seiner fiebrigen Ohnmacht erwacht war, begann Rai, ernsthaft über den Vorschlag des Einäugigen nachzudenken. Zwar hatte er noch nie eine solche Wundbehandlung vorgenommen, noch stand ihm das geeignete Instrumentarium für das Öffnen der entzündeten Wunde zur Verfügung, aber er konnte auch unmöglich weiterhin tatenlos zusehen, wie sein Freund von Stunde zu Stunde schwächer wurde. Die Vorstellung, ohne seinen treuen Weggefährten in diesem abscheulichen Bergwerk festzusitzen, war einfach

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