Vermächtnis der Sünder: Das Spiel der falschen Prophetin (German Edition)
sich aus. Vor seinen inneren Auge verdeutlichte sich ein Bild. Es war größer, als jeder von ihnen sich vorstellen konnte. Er fuhr sich mit den Händen über sein Gesicht. Er hatte eine Ahnung, eine Befürchtung. Nein, das was er gesehen hatte, konnte nicht sein. Und wenn, war es dazu zu früh, etwas zu sagen. Es war einzig ein Gefühl, nicht mehr.
Er legte die Hand auf seine Brust und spürte, dass er lebte. Sein Herz pochte. Dennoch versank er in völliger Stille. Er fühlte sich plötzlich so hilflos.
* * *
Ein heilloses Durcheinander herrschte am nächsten Morgen Die Zeit aufzubrechen war gekommen. Verwundete waren genesen und Schwerverletzte hatten sich dank Deirdre und den Hütermagiern soweit erholt, das sie unbeschadet reisen konnten. Dieser anbrechende neue Tag versprach nicht viel wärmer zu werden als die Tage und Nächte zuvor. Die verbliebenen Hüter legten mit Hilfe von Kelthran und Thorgrim die provisorischen Zeltgestänge um, packten die Stoffplanen ein und suchten ihre Ausrüstungen zusammen.
Lutek versuchte die beißende Kälte zu ignorieren, während er Feuerwind sattelte. Celena ließ sich von Sebyll, die sich offensichtlich von dem schweren Schlag erholt hatte, in ihre Rüstung helfen. Deirdre, plötzlich neben Lutek auftauchend, kontrollierte die Satteltaschen. Wie aus dem Nichts heraus hielt sie eine abgetrennte Klaue vor sich und inspizierte diese. Es war der krallenbewehrte Fuß eines Derkoys, den sie schlussendlich in einen Beutel packte und an eine der Taschen festzurrte. Zufrieden mit sich selbst, lächelte sie.
»Es ist nicht viel, doch wird es genügen müssen«, brummelte sie in sich hinein.
»Für was soll es genügen?«, fragte sie Lutek, der ihr naserümpfend und entgeistert in ihrem Tun zugeschaut hatte.
»Die Klaue! Nachdem sich das Tierchen jammernd ohne seine Gliedmaße zu seinem Meister begeben hatte, hatte ich mich dem Ding angenommen. Soweit mir möglich war, habe ich daraus Blut entnommen. Ihr wisst ja, Hüter spüren das krankhafte Gift des Bösen. Wir brauchen mit Sicherheit einen Beweis.«
»Und damit können wir sie überzeugen?« Der junge Osgosaianer deutete auf den Beutel. Deirdre stieß einen beinahe resigniertes Seufzer aus. »Nun, ein lebendes Exemplar wäre sicherlich überzeugender.«
Lutek stellte sich bildlich vor, wie sie einen in Ketten gelegten Derkoy hinter sich herschleiften. Zur Beruhigung warfen sie der Bestie regelmäßig frischgebackenes Gebäck und ab und an Fleischhappen zu. Er schüttelte bei der Vorstellung sein fuchsrotes Haar
»Keine gute Lösung. Könnten wir diese Drachenwesen nicht zu der Festung locken?«
Deirdre schloss für einen Moment ihre Lider. Sie suchte nach den richtigen Worten. »Wenn wir etwas versuchen wollen, erfordert es einen Preis. Es ist weder ein lebendes Opfer aus Fleisch und Blut noch der Tod. Es ist der Preis des Herzens. Schürt den Zorn, die Liebe oder Glauben.«
»In unseren Fall frage ich mich, wie das gehen soll?«
»Es besteht stets ein Risiko, das sich das gewünschte Ergebnis umkehrt. In eurem Fall sage ich: Offenbart euch! Wobei es dadurch mehr für euch, für Hadaiman und gar ganz Panera zur Gefahr wird.«
Ein grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen während sich Sorge in ihren Augen zeigte. »Kurz gesagt solltet ihr euch offenbaren, seid ihr nirgends mehr sicher. Ihr müsstet aus Panera fortgehen.«
Luteks Augen verschmälerten sich. Wohin sollten sie gehen?
Panera war die Welt. Alles andere dahinter war wildes unbekanntes Land und nicht erreichbar. Niemand wagte sich über den Rand Paneras hinaus. Legenden erzählten von einem Hundertarmigen Ungetüm, das kein anderes Wesen über den Rand hinweg durchließ. Die, die es versuchten, kehrten nie wieder zurück. Die Wasser endeten in Sturmdurchwütenden Chaos, in denen es von gigantischen Monstren wimmelte. Reptilienhafte Titanen, die selbst die Götter fürchteten. Das berichteten zumindest die Sagen aus alter Zeit.
Seine Gedanken erratend, zwinkerte Deirdre, deren dunkle Haare sie wie eine wogende Krone umspülten. »Die alten Zeiten? Wenn ihr wüsstet. Es ist die alte Welt, jene Welt, die Panera einstmals war …« Sie hielt inne und musterte Lutek. »Doch! Ihr müsstet davon gehört haben. Erzähltet ihr nicht selbst die Geschichte von Estrellia und ihrem Soldaten. Ist nicht darin die Rede von Göttern? Und was ist mit der Sage der vier Geschwister, die ihr in der Nacht zum Besten gabt.«
»Das sind Geschichten. Nicht mehr und nicht weniger«,
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