Vermächtnis der Sünder: Die Kinder des Einen (German Edition)
dienen uns als Mahnung für die Zukunft, mein Kind« philosophierte der Göttliche, die Gedanken Luteks erkennend.
»Richte nicht über das, was du bist. Nur eines soll wichtig sein, wie du deinen Weg beschreitest. Deine Gabe ist das Schwert, mit dessen Hilfe du gleichzeitig angreifen und verteidigen kannst.«
»Ich verstehe nicht? Welche Gabe?«
»Alle meine Kinder besitzen ihre eigene Gabe. Du besitzt die Gabe der Vollstreckung und ich hatte dich stets im Blick. Du bist derjenige, der empfängt und meine Feinde zerschmettert. Erinnere dich an die Worte, die du gegen die Kreatur dort im Tempel richtetest.«
Thotodin lächelte.
»Nun, es ist nicht die Zeit, all deine Fragen zu beantworten. Irgendwann wird der Tag kommen, an dem du begreifst, Afalach.«
Sein Zeigefinger fuhr sanft über die Wange Luteks und hob anschließend sein Kinn an.
Zum wiederholten Male hatte der Göttliche ihn Afalach genannt. Etwas tief in seinem Inneren schien sich daran zu erinnern.
»Warum nennt ihr mich Afalach?«
»Weil du Afalach bist und warst. Im letzten Leben und in den früheren Leben davor.«
Frühere Leben? Was redete er da? Die Lehren der Schöpferhäuser erzählen von einem unwiderruflichen Tod, von einer Welt und einem Göttlichen. War er nicht der, den er vorgab zu sein? Wobei er zugeben musste, dass er an den Auslegungen der Ehrwürdigen und ihren Lehren durchaus gezweifelt hatte. Er betrachtete die Welt viel lieber mit seinen Augen. Den Glauben, den die Häuser des Schöpfers vorgaben, hatte er sich nicht gänzlich vorsagen lassen. Lutek schaute den Giganten stirnrunzelnd an. »Früheres Leben? Afalach?«
»So ist es. Wieder eine Geschichte, die der Wahrheit entspricht. Estrellia ist dein Gegenstück. Sie ist das Kind, welches für dich geboren wurde.«
Die blauen Augen des Schöpfers betrachteten Luteks forschend.
»Ich sehe Zweifel, die du über mich hegst. Komm, ich möchte dir etwas zeigen.«
Der Gigant richtete sich zur vollen Größe auf. Seine Hand fuhr hoch, fuhr von links nach rechts und wischte die Granitwand hinweg, wie ein Bildnis das ihm nicht gefiel. Schwarze Leere blickte Lutek entgegen, die ihn anzusaugen drohte. Kleine Lichtpunkte flackerten weit hinten auf. Sie wurden heller, schienen näher zukommen, erstrahlten in ihrem ewigen Licht. Ein Gebilde unter ihnen schwebte heran. Es war rund und riesenhaft, leuchtete im schmierigen, dreckigen Rot. Ein weiterer Kleineres zeigte herrliche Farben von blauer Farbe mit weißen Schlieren und einem Dritten umgab grünliche Sphäre. Es sah herrlich aus und war doch Furcht einflößend zugleich. Neben dem Giganten stehend, vor sich die unendliche Leere mit den vielen funkelnden Lichtern und runden Gebilden, kam sich Lutek plötzlich sehr klein vor.
Das schwarz funkelnde Bild verflüchtigte sich und gab die Granitwand wieder frei. Er sah fragend zu dem Göttlichen, der sich in seine Augenhöhe niederkniete. Die Hand leicht auf seine Schulter gelegt, zeigten sich in den bärtigen Zügen Thotodins väterliche Zuneigung.
»Das war ein kurzer Blick in den unendlichen Kosmos. Die Gebilde waren Welten. Eure Welt ist nicht allein, denn es gibt dort unzählig viele. Und es leben auf ihnen ähnliche Wesen wie ihr hier. Ihr seid nicht allein. Die Ansichten sind falsch. Es gibt vieles, was ihr auf eurer Welt nicht wisst, denn ihr begreift nichts. Manche Seelen erlangen neues Leben, manche lassen sich in ihrer Wut und Hass in der Dunkelheit treiben. Es sind jene, die solche nähren, welche ihr die "Anderen" nennt. Andere wandern ziellos hier im Jenseits, dem Nichts, auf ewig herum. Das Leben, was ihr führt, ist einzigartig und der Tod ist nicht das Ende, denn ihr werdet wiedergeboren in andere Körper. Es gibt nur eine Welt? Wie du eben gesehen hast, ist dem nicht so. Unendliche Existenz und unabdinglich vorhanden. Es gibt nur einen Schöpfer?«
Thotodin brach ab und strich seinem Sohn sanft über die Wange.
»Für diese Welt bin ich die Schöpfung und ein Teil davon. Man nannte mich mit zahllosen Namen wie Odin, Zeus, Wotan, Jupiter, Jahwe, Allah und weit aus mehr. Zu viele Namen, manche vergessen und andere erneuert und doch ist keiner von diesen der wahre Name. Denn er ist unaussprechlich. Ich bin nur ein Teil des Ganzen. Ich bin die Manifestierung eures Glaubens, eurer Träume und eurem Gesang.«
»Die Melodie des Lichts?«, hauchte Lutek.
Der, der hier im Jenseits Thotodin hieß, nickte bedächtig. Sein gütiges Lächeln hatte schalkhafte Züge um die Mundwinkel.
»Es wurde
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