Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
so ein Gefühl. Außerdem ist Joshua nie im Laden, wenn ich nicht auch da bin. Willige wenigstens ein, sie kennenzulernen, ja? Bitte.“
Jonathan seufzt. „Okay. Wenn es dir so wichtig ist.“
„Danke.“ Claire lehnt sich über den Tisch und küsst ihn auf die Lippen. „Alles wird gut. Außerdem ist es in finanzieller Hinsicht eine kluge Entscheidung. Du wirst schon sehen.“
„Mom, Dad“, ruft Joshua, als er zu ihrem Tisch zurückrennt. „Der Pizzamann hat drei Peperoni an die Scheibe geworfen, während wir zugeschaut haben, und die sind alle kleben geblieben! Können wir eine Peperoni-Pizza haben?“
„Sicher“, sagt Jonathan. „Wir bitten sie, die Peperoni zu nehmen, die am Fenster kleben geblieben sind.“
Die Aufregung wegen seines ersten Schultags hat Joshua erschöpft, und als Claire und Jonathan mit ihm nach Hause zurückkehren, sind seine Augen ganz schwer und er gähnt. Jonathan trägt Joshua ins Haus und die Treppe hinauf, damit er sich sein Gesicht waschen und die Zähne putzen kann.
Claire steckt Joshua ins Bett und deckt ihn so zu, dass keine Falten entstehen. Das weiche Licht, das durch die zugezogenen Vorhänge fällt, wirft einen sanften Heiligenschein über seinen Kopf und malt purpurfarbene Schatten unter seine Augen. „Glaubst du, dass dir die Schule gefallen wird, Joshua?“, fragt Claire, während er mechanisch den Kopf seiner Plüschbulldogge streichelt, einem einst fluffigen Tier, das nun beinahe kahl ist. Joshua überlegt einen Moment und zuckt dann die Schultern. „Magst du Mrs Lovelace?“, fragt Claire.
„Ja“, erwidert er, klingt aber nicht sehr überzeugt. Claire sitzt einfach da und wartet ab. „Es ist laut. Die Kinder machen viel Krach“, fügt er endlich hinzu.
„In deiner Klasse sind eine Menge Kinder. Ich kann mir gut vorstellen, dass es da ganz schön laut werden kann.“ Claire streicht ihm das Haar aus der Stirn, und er schiebt irritiert ihre Hand weg.
„Ich vermisse dich.“ Er schaut Claire an, um ihre Reaktion zu sehen. Immer schneller fährt er mit der Hand über den Kopf des Stoffhundes. „Und dann will ich nach Hause gehen.“
Claire atmet tief durch, bevor sie antwortet. „Josh, ich vermisse dich auch. Aber ich habe meine Arbeit im Buchladen, und deine Arbeit ist es, zur Schule zu gehen.“ Er schweigt. „Stimmt’s, Joshua?“
Noch immer sagt er nichts, nickt aber zustimmend. Er schiebt die Unterlippe vor, sein Kinn zittert.
„Josh“, sagt Jonathan zärtlich. „Du kannst nicht einfach die Schule verlassen. Du bist jetzt ein Vorschüler, einer von den Großen.“
„Ich weiß“, wimmert Joshua, und dicke Tränen kullern ihm über die Wangen.
„Was ist los, Josh?“, fragt Jonathan, aber Claire kennt die Antwort.
„Ich habe Angst. Ich will bei euch schlafen.“
„Josh, du musst in deinem eigenen Bett bleiben. Da schläfst du viel tiefer und besser“, erklärt Claire, obwohl sie weiß, dass Joshua in den frühen Morgenstunden sowieso in ihr Bett krabbeln wird.
„Was glaubst du, wo die bösen Männer sind?“, fragt Joshua.
„Ganz, ganz weit weg, Josh“, versichert Claire ihm. Sie schaut Jonathan an, bittet ihn stumm um Unterstützung.
„Die wagen es nicht, zurückzukommen“, sagt Jonathan. „Sie wissen, dass die Polizei nach ihnen sucht und dass es hier einen mutigen kleinen Jungen gibt, der sie vertrieben hat.“
„Ich war der mutige Junge“, informiert Joshua sie, als wennsie das nicht bereits wüssten.
„Ja, das warst du, Joshua. Du warst sehr mutig“, beteuert Claire. „Aber nun musst du dir keine Sorgen mehr machen, weißt du noch? Wir haben doch jetzt eine Alarmanlage im Buchladen.“
„Und das neue Mädchen kommt“, fügt er hinzu. „Wie heißt sie?“
„Ihr Name ist Allison. Und ja, wir werden auch Allison haben. Du wirst sie morgen kennenlernen. Also mach dir keine Sorgen.“
„Wie haben auch Truman“, murmelt er schläfrig und kuschelt sich tiefer unter die Decke.
„Wir passen auf dich auf, Josh“, flüstert Jonathan. „Mach dir keine Sorgen.“
BRYNN
Ich wache auf, weil meine Großmutter sich über mich beugt und mich an der Schulter rüttelt.
„Brynn, du musst aufstehen“, sagt sie wieder und wieder. „Es ist halb neun. Du hast so lange geschlafen. Bist du krank?“
Leicht panisch springe ich aus dem Bett und frage mich, ob ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang durchgeschlafen und weitere Vorlesungen versäumt hab. Alles um mich herum dreht sich, und ich muss mich an meiner
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