Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
Gastgeberin, und Brynn und die Puppen waren meine Gäste.
„Setzen Sie sich doch“, bat ich immer mit hochtrabender Stimme, die sich nicht sonderlich von der unterschied, mit der ich normalerweise sprach. Brynn hat sich dann immer gesetzt, ihr kleiner, schmaler Körper in ein blumiges Laura-Ashley-Kleid gehüllt, das meine Mutter nicht mehr trug. Ihre braunen Augen schauten unter dem zerbeulten Strohhut hervor, den sie aufgesetzt hatte.
Einmal habe ich rote, aus Brausepulver selbst gemischte Limonade und Kekse ins Spielzimmer geschmuggelt, was uns von unserer Mutter ausdrücklich verboten worden war.
„Tee?“, fragte ich.
„Ja, bitte“, erwiderte Brynn und versuchte, meine affektierte Stimme nachzuahmen.
Ich goss die Limonade in die Teetassen, und wir aßen und tranken und gaben hin und wieder einen Kommentar über das Wetter ab oder teilten den neuesten Klatsch über die Nachbarn, so wie wir es bei unserer Mutter und ihren Freundinnen beobachtet hatten. Brynn streckte den Arm aus, um sich einen weiteren Keks zu nehmen, wobei sie mit dem Ellbogen gegen die Teekanne stieß. Ein Bach roter Limonade ergoss sich auf den hellen Teppich. Panik erfasste Brynn, als sie das Malheur sah, und sie fing an zu weinen, weil sie wusste, wie wütend unsere Mutter werden würde.
„Pst, Brynn“, befahl ich. „Sie hört uns sonst noch.“
„Es tut mir so leid.“ Brynn weinte noch lauter.
„Hör auf zu heulen“, wies ich sie zurecht und zog heftig an einer ihrer dunklen Locken.
„Au“, schrie sie, hörte aber auf zu weinen. Sie war nicht böse darüber, dass ich sie an den Haaren gezogen hatte, sondern wenn,dann schien es ihr eher noch mehr leidzutun, falls das überhaupt möglich war.
Unsere Mutter kam ins Zimmer und ragte bedrohlich über uns auf. Sie war groß, so wie ich es auch einmal werden würde, und hatte glattes blondes Haar, das sie immer hochgesteckt trug. Sie warf einen Blick auf die Limonade, die vom Tisch tropfte und einen immer größer werdenden roten Fleck auf dem Teppich hinterließ. Brynn fing an zu schluchzen.
„Ich war’s“, sagte ich automatisch. „Das war meine Schuld.“
Ohne ein Wort packte meine Mutter mich am Arm und gab mir zwei Schläge auf den Hintern. Es tat nicht weh, aber es war peinlich und verletzte meinen Stolz. Brynn hielt sich die Augen zu, sie wollte es nicht sehen. Dann drehte meine Mutter sich um und tat das Gleiche bei Brynn. Die Wucht ihrer Schläge brachte Brynn zu Fall.
„Aber ich war es doch“, erklärte ich meiner Mutter empört. „Es war meine Schuld.“
„Deins war fürs Lügen“, gab meine Mutter eisig zurück. „Und deins“, sie wandte sich an Brynn, die immer noch auf dem Boden lag, „war, weil du zugelassen hast, dass deine Schwester die Schuld auf sich nimmt. Macht das hier sauber“, wies sie uns kurz angebunden an und verließ das Zimmer.
„Allison“, höre ich jemanden sagen. Ich blinzle und sehe, dass Mrs Kelby mich neugierig anschaut. „Komm, ich zeige dir den Lagerraum.“
Ich verbringe den Tag damit, mich mit dem Laden vertraut zu machen, den Büchern, der Kasse. Mittags läuft Mrs Kelby über die Straße zu einem kleinen Restaurant und holt uns ein paar Sandwiches, und wir verbringen eine halbe Stunde damit, darüber zu quatschen, wie es ist, in Linden Falls aufzuwachsen. Die Art, wie sie sich benimmt, hat etwas so Wunderbares. Ich wünschte, ich hätte das gleiche Selbstbewusstsein, aber das habe ich irgendwo auf meinem Weg verloren. Ich denke, mir wird es wirklich gut gefallen, mit Mrs Kelby zu arbeiten. Das hier wird etwas Gutes werden. Sie zeigt mir gerade, wie ich mithilfe des ComputersBücher für einen Kunden bestellen kann, als ein blonder Junge in den Laden stürmt.
„Hey, Josh, komm mal her. Ich will dir jemanden vorstellen“, ruft Mrs Kelby ihm zu.
„Hi, Mom. Ich muss mal.“ Er rennt an uns vorbei zur Toilette.
„Er mag in der Schule nicht auf Toilette gehen“, erklärt sie. „Das Geräusch der Toilettenspülung macht ihn verrückt, deshalb versucht er immer, so lange anzuhalten, bis er hier ist“
„Wie alt ist er?“, frage ich aus reiner Höflichkeit.
„Er ist im Juli fünf geworden und geht jetzt in die Vorschule.“ Sie strahlt vor Stolz. Wir wenden uns wieder dem Computer zu, und sie tippt einen Buchtitel in die Suchmaske.
Ein hochgewachsener Mann kommt durch die Tür, tritt an die Kasse und beugt sich über den Tresen, um Mrs Kelby einen Kuss auf die Wange zu geben.
„Allison, das ist mein Mann
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