Vermächtnis des Schweigens (German Edition)
greller Blitz. Wer ist das Monster? Wer ist das Monster? Ich stand schnell auf, wobei ich ein Foto von Allison von der Wand stieß, auf dem sie an der Seite meiner Eltern irgendeinen Preis entgegennahm. Ich sah zu, wie es die Stufen hinunterpurzelte und mit dem Gesicht nach unten am Fuß der Treppe landete.
„Allison“, rief ich. „Allison!“ Ich raste die Treppe hinunter in die Küche und fand sie dort auf dem Fliesenboden liegend, wie sie versuchte, sich die Hose von den Beinen zu ziehen. Flehend sah sie mich an. Sie konnte nicht mehr reden, nicht mal mehr schreien. Sie stirbt, dachte ich. Unsere Eltern werden uns hier finden, in der Küche. Allison – tot, blau, halb nackt und voller Blut. Und mich, die einfach neben ihr sitzt und nichts tut.
„Es ist die Plazenta“, stieß Allison mit letzter Kraft hervor. Sofort empfand ich grenzenlose Erleichterung. Alles würde gut werden. Meine Schwester würde nicht sterben. Es war beinahe vorbei.
Allison stieß ein jämmerliches Geräusch aus. Ich sah, dass etwas anfing, aus ihr herauszugleiten, und ich nahm mein feuchtes Handtuch, um es aufzufangen. „Es ist okay, Allison“, sagte ich durch meine Tränen hindurch. „Ich bin hier.“
ALLISON
Nachdem ich das kleine Mädchen zur Welt gebracht hatte, nachdem Brynn die ganzen blutigen Handtücher und Laken zusammengesucht hatte und nach unten gegangen war, um sie wegzuwerfen, nach dem Ausflug zum Fluss, setzten auf einmal erneut die Wehen ein. Ich erwartete, eine dunkelrote Masse zwischen meinen Beinen hervorquellen zu sehen, doch es war nicht die Plazenta, die sich gelöst hatte. Ich blinzelte ein paar Mal und versuchte, mir den Schweiß aus den Augen zu wischen. Ich schaute auf die Uhr an der Mikrowelle und sah, dass es beinahe Viertel nach neun war. Nein, sagte ich mir. Auf gar keinen Fall. Das war alles viel zu verrückt. Doch falls das, was ich sah, mich nicht überzeugte, so tat es der laute Schrei, der von dem Etwas ausging, das eigentlich die Nachgeburt hätte sein sollen. Ein Baby. Ein winziger Junge mit einem spitzen Kinn und einer kleinen Stupsnase, genau wie die von Christopher. Brynn, die vor mir kniete, fing das Baby auf, als es aus mir herausglitt, und schrie ungläubig auf.
Ich streckte eine zittrige Hand nach meinem Sohn aus, und im gleichen Augenblick schien er seine Hand nach mir auszustrecken. Unsere Finger berührten einander, und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit lächelte ich.
BRYNN
Ungläubig starrte ich Allison an. Sie hatte dieses seltsame Lächeln auf dem Gesicht, wirkte nicht wirklich glücklich, sondern eher verwundert. Aber das Lächeln war schnell wieder verschwunden.
„Nein. Bitte“, wimmerte sie und wandte den Blick von dem rotgesichtigen Baby ab, das ich mit zitternden Händen hielt. „Bitte, wir müssen ihn hier wegschaffen.“
„Ich verstehe nicht“, brachte ich atemlos hervor und schaute das weinende Kind an.
„Es ist ein Baby“, giftete meine Schwester. Als sie sah, dass sich meine Augen mit Tränen füllten, entschuldigte sie sich. „Es tut mir leid, Brynn, aber Mom und Dad werden in wenigen Stunden zurück sein. Wir müssen uns beeilen.“
„Sie sehen genau gleich aus“, sagte ich sanft und dachte an das kleine Mädchen, das nun tot war. Fort.
„Es ist ein Junge“, gab Allison gequält zurück. „Komm. Wir müssen ihn loswerden. Schnell.“
ALLISON
Irgendwie zwinge ich mich dazu, das Badezimmer zu verlassen und in den Laden zurückzukehren. Ich bemühe mich, Jonathan und Joshua, die gerade auf dem Weg nach draußen sind, ein fröhliches „Tschüss“ hinterherzurufen. Auch wenn ich keinen tatsächlichen Beweis dafür habe, weiß ich, dass Claires kleiner Junge mein Sohn ist.
Ich bin sicher, ein Blick auf mich genügt, und Claire wird wissen, dass etwas mit mir nicht stimmt, und ich habe recht. Nachdem wir zwei Stunden lang in beinahe völligem Schweigen zusammen gearbeitet haben, schaut Claire mich besorgt an.
„Allison“, sagt sie. „Du bist so schrecklich still. Du machst dir doch wohl keine Sorgen darüber, was für einen Eindruck du heute hinterlassen hast?“
„Ein wenig schon, fürchte ich.“ Ich bin dankbar für die Ausrede, die sie mir geliefert hat.
„Das musst du nicht. Du hast das alles ganz großartig gemacht“, versichert Claire mir. „Also, was denkst du? Wirst du diesem Laden morgen noch eine weitere Chance geben?“
Beinahe hätte ich Nein gesagt, doch ich kann mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten. Wenn ich hier
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