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Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Vermächtnis des Schweigens (German Edition)

Titel: Vermächtnis des Schweigens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Gudenkauf
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zurecht.“ Reanne winkt gelangweilt ab.
    „Der einzige kulturelle Unterschied war, dass du nebenbei mit einem anderen Mann geschlafen hast“, gibt Charm zurück. Sie dreht sich um und macht sich auf den Weg zum Parkplatz.
    „Hey, hüte deine Zunge, Miss!“, brüllt ihre Mutter und läuft ihr hinterher.
    „Na, na, Mädels“, versucht Binks, die beiden zu beruhigen. „Es war für euch beide ein schwerer Tag.“ Er streckt Reanne die Hand hin. Die Geste scheint sie zu beschwichtigen.
    „Mom, ich will mich nicht mit dir streiten“, sagt Charm und reibt sich die müden Augen.
    „Ich will mich auch nicht mit dir streiten“, erwidert Reanne. Dann runzelt sie besorgt die Stirn. „Du siehst erschöpft aus. Bleibst du heute Nacht in Gus’ Haus?“
    „Nein, ich übernachte bei Jane und schaue morgen, wie ich mich fühle“, erklärt Charm. „Wir sprechen später, okay, Mom?“
    Reanne beugt sich vor und umarmt Charm kurz. Binks tätschelt ihr den Rücken. Charm geht bereits auf Janes Auto zu, als Reanne sagt: „Charm, ich habe vor ein paar Tagen einen Anruf von einem Mädchen erhalten, das sagte, sie sei mit dir zusammen in die Schule gegangen.“ Charm dreht sich um und wirft ihrer Mutter einen verzweifelten Blick zu.
    „Mom, können wir da ein andermal drüber sprechen? Ich will jetzt einfach nur noch hier weg.“
    „Sie sagte, ihr Name sei Allison Glenn. Sie meinte, sie sei gerade erst wieder in die Stadt gezogen und wolle mit dir Kontakt aufnehmen. Ich erinnere mich an den Namen, kann ihn aber nicht mehr so richtig einordnen. War sie eine Freundin von dir?“
    Charm versucht, sich zu bewegen, sich von ihrer Mutter und Binks zu entfernen, von dem Friedhof mit seinen unzähligen Reihen an Grabsteinen und von dem dunklen Berg Erde, der sich über Gus’ leblosem Körper türmt, aber ihr Körper gehorcht ihr nicht. Sie kann keinen weiteren Schritt mehr tun. Stattdessen stehtsie einfach nur da in ihren lächerlich hohen Pumps und schaut ihre Mutter sprachlos an.
    „Geht es dir gut?“, fragt Reanne argwöhnisch. „Du siehst seltsam aus. Erinnerst du dich an sie?“
    Da klickt es auf einmal in Charms Kopf. Sie hatte doch recht gehabt in Bezug auf das Mädchen, das sie bei Bookends durchs Schaufenster gesehen hatte. Allison Glenn. Das Mädchen, das seine neugeborene Tochter ermordet und seinen neugeborenen Sohn im Stich gelassen hatte, war aus dem Gefängnis raus. Allison Glenn war zurück in Linden Falls und hatte Joshua gefunden.

BRYNN
    Als ich meine Sachen für den Trip packe, um meinen Vater zu sehen – um Allison zu treffen –, frage ich mich, ob ich das Richtige tue. Ich habe endlich meine Mutter ans Telefon bekommen, und sie klang fürchterlich. Überhaupt nicht wie meine Mutter – völlig verunsichert, was als Nächstes zu tun wäre. Erst als ich vorschlug, dass ich Grandma mit nach Linden Falls bringen könnte, wurde meine Mutter wieder die Alte.
    „Diese Frau ist hier nicht willkommen“, sagte sie kalt.
    „Mom, er ist ihr Sohn …“, versuchte ich ihr zu erklären, gab dann aber auf. Meine Großmutter hatte einmal den Fehler begangen, die Liebe meiner Mutter für meinen Vater infrage zu stellen, und seitdem war sie im Haus meiner Eltern nicht mehr erwünscht.
    Ich hasse den Gedanken, nach Hause zurückzukehren, versuche, mir Ausreden einfallen zu lassen, warum ich hierbleiben muss. Ich werde mindestens zwei Vorlesungen versäumen, und außerdem muss ich mich um meine Tiere kümmern.
    „Geh“, sagt Grandma. „Geh und besorge alle Infos über deinen Vater, die du kriegen kannst, und lass mich wissen, ob ich mir den Weg ins Krankenhaus mit meinen Ellbogen frei räumen muss, ob es deiner Mutter nun gefällt oder nicht. Ich kann mich in der Zwischenzeit um den räudigen Köter und die flohverseuchten Katzen kümmern. Bitte mich nur nicht, für den Vogel mehr zu tun, als ihn zu füttern und ihm Wasser hinzustellen“, witzelt sie. „Den fasse ich nicht an.“
    Bevor ich gehe, umarme ich sie. Mal aus New Amery rauszukommen ist vermutlich gar keine so schlechte Idee. Missy will immer noch nichts mit mir zu tun haben. Ich kann das Flüstern hören und sehe, wie die Menschen mich offen anstarren. Wieder einmal bin ich das Mädchen, dessen Schwester eine Mörderin ist. Ich schlafe nicht, und in den meisten Nächten finde ich mich irgendwann vor dem Kühlschrank wieder, wo ich das darüberliegende Regal anschaue und das Für und Widereines kleinen Schlucks Alkohols abwäge, bevor ich wieder ins Bett

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