Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
ist es aber auch schlechter geworden.
    Die gute Nachricht lautet: Ältere Menschen erfreuen sich heute im Durchschnitt eines viel längeren Lebens, einer weitaus besseren Gesundheit, einer weitaus größeren Zahl von Freizeitmöglichkeiten und eines viel geringeren Maßes an Trauer um den Tod ihrer Kinder als in jeder früheren Zeit der Menschheitsgeschichte. Im Durchschnitt von 26  Staaten der Ersten Welt liegt die Lebenserwartung bei 79  Jahren; in Japan ist sie mit 81  Jahren am höchsten und ungefähr doppelt so hoch wie in traditionellen Gesellschaften. Die Gründe für diesen sprunghaften Anstieg der Lebensdauer sind allgemein bekannt: gesundheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten (Versorgung mit sauberem Trinkwasser, Fliegengitter an den Fenstern, Impfungen), moderne Medizin, eine leistungsfähigere Verteilung von Lebensmitteln zur Bekämpfung von Hungersnöten (Kapitel  8 und 11 ) und (ob man es glaubt oder nicht und trotz zweier Weltkriege) eine proportional geringere Zahl der Kriegstoten in Gesellschaften mit Staatsregierungen im Vergleich zu traditionellen Gesellschaften (Kapitel  4 ). Dank moderner Medizin und besserer Verkehrsmittel erfreuen sich alte Menschen heute einer viel höheren Lebensqualität als früher. Auf einer Safari in Afrika beispielsweise, von der ich kürzlich zurückkam, waren drei der 14 anderen Teilnehmer zwischen 86 und 90  Jahre alt, und doch konnten sie noch mäßig lange Spaziergänge unternehmen. Weit mehr Menschen als früher – in den Vereinigten Staaten 57  Prozent der Männer und 68  Prozent der Frauen, die über 80  Jahre alt werden – leben so lange, dass sie Urenkel bekommen. In der Ersten Welt überleben mehr als 98  Prozent der Babys das Säuglingsalter und die Kindheit, in traditionellen Gesellschaften liegt dieser Anteil nur bei 50  Prozent. Das früher allgemein verbreitete Erlebnis, den Tod eines eigenen Kindes betrauern zu müssen, ist deshalb heute in der Ersten Welt selten geworden.
    Das Gegengewicht zu diesen positiven Tatsachen bilden schlechte Nachrichten, von denen manche eine unmittelbare Folge der demographischen Entwicklung sind. Da die Geburtsrate gesunken ist und die Überlebensquote älterer Menschen gleichzeitig größer wurde, ist die Zahl der Alten im Verhältnis zu Kindern und produktiven jungen Arbeitskräften steil in die Höhe gegangen. Die Bevölkerungspyramide steht also heute auf dem Kopf: Gab es früher viele junge und wenige alte Menschen, so sind es derzeit viele alte Menschen und weniger Babys. Für uns aus der heutigen Generation ist auch der Gedanke kein Trost, dass es in 80  Jahren nicht mehr so schlimm sein wird – dann wird die heute schrumpfende Altersgruppe der Babys zu einer schrumpfenden Altersgruppe älterer Menschen werden. So liegt beispielsweise der Anteil der über 65 -Jährigen an der Gesamtbevölkerung heute in den ärmsten Ländern nur bei ungefähr zwei Prozent, in manchen Staaten der Ersten Welt ist er zehnmal so groß. Nie zuvor musste eine Gesellschaft mit einem so hohen Anteil älterer Menschen zurechtkommen.
    Eine negative Folge dieser demographischen Tatsachen liegt auf der Hand: Die Gesellschaft muss zur Versorgung der älteren Menschen eine immer größere Last schultern, weil immer mehr Alte von immer weniger produktiven Arbeitskräften finanziert werden müssen. Diese grausame Realität ist die Wurzel der häufig diskutierten, drohenden Krise für die Finanzierung des amerikanischen Sozialversicherungssystems (und der entsprechenden Systeme in Europa und Japan), das die Pensionen für Ruheständler zahlt. Wenn wir alten Menschen weiterhin arbeiten, blockieren wir Arbeitsplätze für die Generationen unserer Kinder und Enkel, wie es genau jetzt geschieht. Wenn wir aber in den Ruhestand gehen und damit rechnen, dass der Verdienst der schrumpfenden jüngeren Altersgruppe weiterhin das Sozialversicherungssystem finanziert und uns unsere Freizeit bezahlt, wird die finanzielle Belastung für die Jüngeren weit größer als je zuvor. Und wenn wir vorhaben, zu ihnen zu ziehen und uns von ihnen privat finanzieren und pflegen zu lassen, haben sie ganz andere Vorstellungen. Es stellt sich die Frage, ob wir auf dem Weg zurück in eine Welt sind, in der wir im Zusammenhang mit dem Ende des Lebens wieder Alternativen in Betracht ziehen, die sich in traditionellen Gesellschaften stellen: Hilfe zum Selbstmord, Selbstmord auf Aufforderung und Sterbehilfe. Indem ich diese Worte schreibe,

Weitere Kostenlose Bücher