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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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ein, ein seltsames Bauwerk auf seinem Anwesen zu besichtigen, von dem niemand wusste, wozu es gut sein sollte. Es handelte sich um eine Kuppel aus wunderhübsch gesetzten Backsteinreihen und einer verschlossenen Tür, die unser neuer Bekannter uns nun aufschloss. Drinnen hatten wir ein mit Backsteinen ausgekleidetes Loch vor uns, das einen Durchmesser von ungefähr drei Metern hatte. In der Öffnung verschwand eine hölzerne Leiter, und die Grube war so tief, dass wir den Boden nicht sehen konnten.
    Am nächsten Wochenende kamen wir mit unserer Höhlenforscherausrüstung wieder: Seile, Acetylenlampen, Helme und Overalls. Natürlich hofften wir auf einen tiefen Schacht, seitliche Umgänge und eine vergessene Schatzkammer. Als einziger Amerikaner und leichtestes Mitglied unserer Gruppe wurde ich von meinen britischen Freunden dazu auserkoren, als Erster das Risiko auf mich zu nehmen und die morsche Holzleiter hinunterzusteigen. Zu meiner Enttäuschung erreichte die Leiter schon in einer Tiefe von nur knapp zehn Meter einen Boden aus Erde, und es gab weder seitliche Umgänge noch einen Schatz oder irgendeinen anderen Anhaltspunkt für die Funktion mit Ausnahme weiterer hübscher alter Backsteinreihen. Zurück in Cambridge, erzählte ich beim Abendessen von unserer rätselhaften Entdeckung. Einer meiner Tischgenossen war ein älterer Ingenieur, der am Wochenende häufig auf dem Land spazieren ging. Er rief aus: »Das ist anscheinend ein Eishaus!« Wie er mir erzählte, gehörten solche Bauwerke in Großbritannien regelmäßig zu ländlichen Anwesen, bis sie gegen Ende des 19 . Jahrhunderts von Kühlschränken verdrängt wurden. Man hatte die Gruben so tief ausgeschachtet, dass sie bis unter die obere warme Bodenschicht hinabreichten; im Winter wurden sie mit Lebensmitteln und Eisblöcken gefüllt, so dass die Nahrung bis zum nächsten Sommer gefroren blieb. Unser wiederentdecktes Eishaus konnte ganz offensichtlich eine gewaltige Menge Lebensmittel aufnehmen.
    Eine weitere traditionelle Methode zum Haltbarmachen besteht darin, dass man die Lebensmittel kocht, um Mikroorganismen abzutöten, und das Gefäß dann, solange es noch heiß und keimfrei ist, luftdicht verschließt. Noch während des Zweiten Weltkrieges wurden amerikanische Stadtbewohner von der Regierung der Vereinigten Staaten angehalten, unsere Soldaten mit Lebensmitteln zu versorgen; zu diesem Zweck sollten sie hinter dem Haus patriotische Siegesgärten anlegen, die Produkte einkochen und dann in luftdichten Vakuumbehältern verpacken. In dem Haus in Boston, in dem ich aufwuchs, hatten meine Eltern im Keller einen Raum, den meine Mutter mit Gläsern voller Tomaten und Gurken bestückte; das Gemüse, das im Herbst geerntet worden war, verbrauchten meine Eltern, meine Schwester und ich während des Winters. In meiner Kindheit erlebte ich mehrmals mit, wie der altmodische Druckkochtopf explodierte, in dem meine Mutter die Lebensmittel einkochte, und jedes Mal verteilte sich der Gemüsebrei über die gesamte Küchendecke. Auf ganz ähnliche Weise machten die Maori in Neuseeland auch Fleisch haltbar: Sie kochten es und füllten es noch heiß in Behälter, die mit geschmolzenem Fett verschlossen wurden und so Mikroorganismen fernhielten. Diese Methode hatten die Maori entdeckt, ohne irgendetwas über Mikroorganismen zu wissen.
    Die Methoden der letzten Gruppe dienen zum Haltbarmachen ohne Trocknen, Einfrieren oder Kochen. Die Lebensmittel werden zusammen mit Substanzen, die das Wachstum von Mikroorganismen verhindern, eingelegt und/oder vergoren. Solche Substanzen sind beispielsweise Salz oder Essig, die den Lebensmitteln zugesetzt werden, aber auch Alkohol, Essig oder Milchsäure, die beim Vergären der Lebensmittel selbst entstehen. Beispiele sind Bier, Wein und andere alkoholische Getränke; das Grundnahrungsmittel Kimchi, das in Korea bei jeder Mahlzeit serviert wird und meist in Salzwasser eingelegten Kohl, Rüben und Gurken enthält; die vergorene Stutenmilch der asiatischen Viehzüchter; vergorenes Taro und Brotfrüchte in Polynesien; und der vergorene Fisch beim Volk der Itenm’i in Kamtschatka.
    Und schließlich kann man Lebensmittelüberschüsse auch dadurch haltbar machen, dass man sie gegen etwas anderes, das man nicht essen kann, eintauscht und dieses später in Hungerzeiten wieder gegen Lebensmittel abgibt. In unserer modernen Geldwirtschaft tun das die Bauern, indem sie ihre Produkte nach der Ernte oder Schlachtung für Geld verkaufen, dieses zur

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