Vermächtnis
insbesondere in der Nähe des Äquators keine Jahreszeiten gibt. Natürlich schwankt die Temperatur in tropischen Klimazonen von Monat zu Monat viel weniger als in den gemäßigten Breiten, in den meisten Tropengebieten gibt es aber durchaus eine Regen- und eine Trockenzeit. Die Ortschaft Pomio in Neuguinea liegt beispielsweise nur wenige hundert Kilometer südlich des Äquators, es regnet dort sehr viel (rund 6600 Millimeter Niederschlag im Jahr), und selbst im trockensten Monat liegt der Niederschlag noch bei 150 Millimeter. In den regenreichsten Monaten (Juli und August) liegt der Niederschlag in Pomio aber siebenmal so hoch wie in den trockensten Monaten (Februar und März), und das hat auf die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und die Lebensbedingungen in der Region große Auswirkungen. Deshalb erleben die Bewohner in niedrigeren Breitengraden und sogar am Äquator genau wie die traditionellen Völker in gemäßigten Klimazonen vorhersehbare magere Zeiten. In vielen Fällen fällt diese magere Periode in die lokale Trockenzeit, die sich in unterschiedlichen Monaten einstellt: für die !Kung in der Kalahari und das Volk der Daribi in den Bergen von Papua-Neuguinea im September und Oktober, für die Mbuti-Pygmäen im Ituri-Wald im Kongo von Dezember bis Februar, und für die Kaulong in Neubritannien im Januar. Manche anderen Bewohner niederer Breiten erleben aber die magere Jahreszeit auch in den niederschlagreichsten Monaten: die nordwestaustralischen Nagarinyin-Aborigines von Dezember bis März und die Nuer im Sudan von Juni bis August.
Traditionelle Völker hatten drei wichtige Methoden, um mit der absehbaren, jahreszeitlich bedingten Nahrungsknappheit zurechtzukommen: Sie lagerten Lebensmittel, erweiterten ihren Speisezettel und verteilten sich oder fanden sich zusammen. Die erste Methode ist auch in der modernen Gesellschaft reine Routine: Wir lagern Lebensmittel in Kühlschränken, Tiefkühlgeräten, Konservendosen, Flaschen und Paketen mit Trockenware. Auch viele traditionelle Gesellschaften legen Lebensmittelüberschüsse, die sich in Zeiten des Überflusses (in den gemäßigten Zonen beispielsweise in der herbstlichen Erntezeit) angesammelt haben, beiseite und verzehren sie dann in Zeiten der Knappheit (in den gemäßigten Klimazonen im Winter). Die Lagerung von Lebensmitteln wurde von sesshaften Gesellschaften praktiziert, die in einer Umwelt mit gut ausgeprägten Jahreszeiten und abwechselnden Phasen mit reichhaltigem und kargem Nahrungsangebot lebten. Bei nomadisierenden Jägern und Sammlern dagegen, die häufig ihr Lager wechselten, war dies nicht üblich, denn diese Menschen konnten nicht viele Lebensmittel mitführen (es sei denn, sie besaßen Boote oder Schlittenhunde), und wegen der Gefahr, dass die Vorräte von Tieren oder anderen Menschen gestohlen wurden, konnten sie Lebensmittel auch nicht unbewacht in einem Lager zurücklassen und sich vornehmen, später wiederzukommen. (Allerdings waren manche Jäger und Sammler, darunter die Ainu in Japan, die Indianer an der Pazifikküste im Nordwesten Nordamerikas, die Shoshone im Großen Becken und manche Völker in der Arktis zumindest zu bestimmten Jahreszeiten sesshaft, und dann legten sie auch große Lebensmittelvorräte an.) Und auch manche sesshaften Völker, die in kleinen Familiengruppen zusammenleben, lagerten kaum Lebensmittelvorräte, weil sie zu wenige waren und die Lebensmittel nicht gegen Räuber verteidigen konnten. In den kalt-gemäßigten Klimazonen war die Lagerung von Lebensmitteln weiter verbreitet als in den heißen, feuchten Tropen, wo Nahrung schnell verdirbt. Beispiele nennt Tab. 4 .
Das wichtigste Problem, das bei der Lagerung von Lebensmitteln gelöst werden musste, war die Gefahr, dass die Nahrung von Mikroorganismen abgebaut wird und verfault. Da Mikroorganismen wie alle anderen Lebewesen auf milde Temperaturen und Wasser angewiesen sind, bestehen viele Methoden der Lebensmittellagerung darin, die Lebensmittel zu kühlen (was in den Tropen vor der Erfindung der Kühlschränke nicht möglich war) oder zu trocknen. Manche Lebensmittel haben schon in ihrer natürlichen Form einen so geringen Wassergehalt, dass man sie so, wie sie sind, oder nach leichter Trocknung über Monate oder Jahre aufbewahren kann. Dazu gehören viele Nüsse, Getreideprodukte, manche Knollen und Wurzeln wie Kartoffeln und Rüben, aber auch Honig. Viele derartige Lebensmittel werden in Behältern oder Vorratskammern gelagert, die speziell zu diesem Zweck
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