Vermächtnis
können. Die Wiederholung betont es nur noch einmal: Bluthochdruck, der süße Diabetestod und andere führende Todesursachen des 20 . Jahrhunderts töten uns nur, wenn wir selbst es zulassen.
Epilog Auf einem anderen Flughafen
Vom Dschungel auf den Freeway 405
Am Ende einer mehrmonatigen Neuguinea-Expedition, die ich größtenteils mit Einheimischen auf Lagerplätzen im Dschungel verbracht habe, beginnt meine emotionale Rückkehr in die moderne, industrialisierte Welt nicht auf dem Flughafen von Port Moresby in Papua-Neuguinea, mit dem ich den Prolog dieses Buches begonnen habe. Auf dem langen Flug von Neuguinea nach Los Angeles nutze ich nämlich die Zeit, um meine Notizen zu transkribieren und mir die täglichen Ereignisse der Monate im Dschungel noch einmal vor Augen zu führen, das heißt, ich bleibe geistig noch in Neuguinea. Der emotionale Wechsel beginnt an der Gepäckausgabe auf dem Flughafen von Los Angeles; er setzt sich fort, wenn ich meine Familie, die außerhalb der Gepäckausgabe wartet, wiedersehe, über den Freeway 405 nach Hause fahre und mich den Stapeln von Briefen und E-Mails auf meinem Schreibtisch gegenübersehe. Beim Wechsel von der traditionellen Welt Neuguineas nach Los Angeles stürmt eine Mischung widersprüchlicher Gefühle auf mich ein. Was für Gefühle sind das?
Die allerersten und wichtigsten sind Freude und Erleichterung, wieder bei meiner Frau und meinen Kindern zu sein. Die Vereinigten Staaten sind meine Heimat und mein Land. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Unter den Amerikanern sind Freunde, die ich schon seit 60 oder 70 Jahren kenne und die meine Lebensgeschichte, meine Kultur sowie viele meiner Interessen teilen und verstehen. Englisch spreche ich stets besser als jede andere Sprache. Ich verstehe Amerikaner stets besser als Neuguineer. Die Vereinigten Staaten haben als Lebensmittelpunkt große Vorteile. Ich kann damit rechnen, genug zu essen zu haben, mich körperlicher Bequemlichkeit und Sicherheit zu erfreuen und fast doppelt so lange zu leben wie der durchschnittliche traditionelle Neuguineer. In den USA ist es für mich viel einfacher, meiner Liebe zur westlichen Musik nachzugehen und meine Karriere als Autor und akademischer Geograph weiterzuverfolgen. All das sind Gründe, warum ich mich entschieden habe, in den Vereinigten Staaten zu leben. So sehr ich Neuguinea und seine Menschen auch liebe, ich habe nie mit dem Gedanken gespielt, dort hinzuziehen.
Ein ganz anderes Gefühl überkommt mich, wenn ich den Flughafen von Los Angeles verlasse und auf den Freeway 405 einbiege. Die Landschaft um mich herum besteht ausschließlich aus einem asphaltierten Straßennetz, Gebäuden und Autos. Die akustische Umwelt ist der Verkehrslärm. Manchmal, aber nicht immer, erkennt man unscharf im Smog die Santa Monica Mountains, die sich ungefähr 15 Kilometer nördlich des Flughafens erheben. Der Gegensatz zur reinen, klaren Luft Neuguineas, den vielfältigen Grüntönen seines dichten Dschungels und seinen Hunderten von aufgeregten Vogelgesängen könnte krasser nicht sein. In einem Reflex stelle ich die Lautstärkeknöpfe meiner Sinnesorgane und meines emotionalen Zustandes niedriger – ich weiß, dass sie die meiste Zeit so niedrig eingestellt bleiben werden, bis ich im nächsten Jahr wieder nach Neuguinea reise. Natürlich kann man über Unterschiede zwischen traditioneller und industrialisierter Welt keine allgemeinen Aussagen machen, wenn man nur den Dschungel Neuguineas mit dem Freeway 405 vergleicht. Die Annehmlichkeiten von Schönheit und emotionaler Öffnung würden sich umgekehrt darstellen, wenn ich stattdessen von einem monatelangen Aufenthalt in Port Moresby (einer der gefährlichsten Städte der Welt) in unser Sommerhaus zurückkehren würde, das im großartigen Bitterroot Valley in Montana unter den schneebedeckten, bewaldeten Gipfeln der nordamerikanischen Wasserscheide liegt. Dennoch gibt es überzeugende Gründe, warum ich Los Angeles als Lebensmittelpunkt gewählt habe und sowohl in den Dschungel Neuguineas als auch ins Bitterroot Valley nur Reisen unternehme. Aber die Vorteile von Los Angeles haben einen hohen Preis.
Die Rückkehr in das Großstadtleben der Vereinigten Staaten ist auch eine Rückkehr zu Zeitdruck, Terminkalender und Stress. Schon der Gedanke daran lässt meinen Puls und meinen Blutdruck steigen. Im Dschungel Neuguineas gibt es keinen Zeitdruck und keine Termine. Wenn es nicht regnet, verlasse ich jeden Tag vor dem Morgengrauen das
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