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Vermächtnis

Vermächtnis

Titel: Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Wilihiman/Walalua-Konföderation, die bei anderen Konföderationen Verbündete gegen die Widaia und ihre Alliierten suchten, so standen sich auch im Zweiten Weltkrieg zwei Allianzen gegenüber: die eine mit Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Russland als wichtigsten Mitgliedern, die andere mit Deutschland, Italien und Japan. Für traditionelle Gesellschaften, die sich im Krieg befinden, sind Allianzen sogar noch wichtiger als für kriegführende Staaten. Moderne Staaten verfügen über eine sehr unterschiedliche Technologie, so dass auch ein kleiner Staat einen Krieg unter Umständen nicht nur mit mehr Verbündeten gewinnen kann, sondern auch durch den Rückgriff auf überlegene Technologie und Führungsmechanismen. (Man denke nur an die Erfolge der israelischen Armee gegen die weitaus größeren arabischen Bündnisse). Traditionelle Kriege dagegen laufen in der Regel zwischen Gegnern mit ähnlicher Technologie und ähnlicher Führung ab, so dass die Seite, die sich mehr Verbündete gesichert hat und den Vorteil der größeren Zahl genießt, mit hoher Wahrscheinlichkeit den Sieg davonträgt.
    Eine weitere Ähnlichkeit liegt in der Tatsache, dass Gesellschaften aller Größen sowohl von Mann zu Mann als auch mit Distanzwaffen kämpfen. Selbst die kleinen Horden der Fayu, die rund um das Haus der Familie Kuegler kämpften, besaßen Pfeil und Bogen; die Dani warfen Speere, töteten aber Wejakhe und Jenokma auch auf kurze Entfernung mit Speerstößen. Die Reichweite der Waffen vergrößerte sich mit der Größe und dem technischen Entwicklungsniveau einer Gesellschaft. Römische Soldaten benutzten zwar im Kampf Mann gegen Mann immer noch Schwerter und Dolche, als Distanzwaffen besaßen sie aber auch Pfeile, Wurfspieße, Steinschleudern und Katapulte, die Reichweiten von fast einem Kilometer erreichten. Zur Zeit des Ersten Weltkriegs hatte die deutsche Armee ein Geschütz mit dem Spitznamen »Dicke Berta« entwickelt, die Paris aus einer Entfernung von mehr als 100  Kilometern beschießen konnte, und moderne Interkontinentalraketen können den halben Erdumfang überbrücken. Dennoch müssen Soldaten auch heute noch bereit sein, mit Gewehr oder Bajonett auf kurze Entfernung zu töten.
    Die wachsende Reichweite moderner Langstreckenwaffen hat die psychologische Folge, dass die militärische Tötung heute meistens »auf Knopfdruck« erfolgt, das heißt mit Bomben, Artillerie und Raketen. Dies schafft für die Soldaten die Möglichkeit, einen Gegner zu töten, ohne ihn zu sehen, so dass sie nicht ihre Hemmungen beim Töten von Angesicht zu Angesicht überwinden müssen (Abb.  37 ) . In allen traditionellen Kämpfen wählt man sich die Zielperson individuell aus und sieht ihr ins Gesicht, ganz gleich, ob man sie aus nächster Nähe ersticht oder aus einer Entfernung von zehn Metern einen Pfeil abschießt (Abb.  36 ) . In traditionellen Gesellschaften werden die Männer von klein auf zum Töten ermutigt, oder zumindest wissen sie, wie man tötet; die meisten Bürger moderner Staaten dagegen lernen in ihrer Kindheit ständig, dass Töten etwas Schlechtes ist, und wenn sie dann mit 18  Jahren plötzlich eingezogen werden oder sich freiwillig zur Armee melden, drückt man ihnen ein Gewehr in die Hand und gibt ihnen den Befehl, auf einen Feind zu zielen und ihn zu erschießen. Wie nicht anders zu erwarten, konnte ein beträchtlicher Teil der Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg – manche Schätzungen belaufen sich auf bis zu 50  Prozent – sich nicht überwinden, einen Feind zu erschießen, in dem sie einen Mitmenschen erkannten. Während also in traditionellen Gesellschaften sowohl die moralische Hemmung zum Töten eines Feindes von Angesicht zu Angesicht als auch die erforderliche Technologie zum Umgehen dieser Hemmungen durch die Tötung unsichtbarer Opfer auf große Entfernung fehlen, hat sich beides – die Hemmungen und die Technologie zu ihrer Umgehung – in modernen Staatsgesellschaften in der Regel entwickelt.
    Kommen wir nun zu den vielen Unterschieden zwischen traditioneller und staatlicher Kriegsführung. Einer davon ergibt sich unmittelbar aus den zuvor erörterten psychologischen Aspekten des Tötens. Selbst wenn moderne Soldaten einen Feind von Angesicht zu Angesicht sehen, handelt es sich bei diesem fast immer um eine namenlose Person, die sie nie zuvor gesehen haben und gegen die sie keinen individuellen Groll hegen. In traditionellen Kleingesellschaften dagegen kennt man nicht nur jedes

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