Vermächtnis
Einerseits stehen sie in heftiger Konkurrenz um Ressourcen, und andererseits bilden sie Gruppen unterschiedlicher Größe, so dass große Gruppen manchmal auf kleine Gruppen oder einzelne Tiere treffen, die sie dann angreifen und aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit besiegen können, wobei für die Aggressoren nur ein geringes Risiko besteht.
Was die genetische Grundlage angeht, so hat die Kriegsführung beim Menschen natürlich in dem gleichen weitgefassten, entfernten Sinn eine genetische Grundlage, wie auch Kooperation und andere vielschichtige Verhaltensweisen auf genetische Ursachen zurückzuführen sind: Gehirn, Hormone und Instinkte des Menschen werden letztlich von Genen gestaltet, beispielsweise von jenen, die über die Synthese des Hormons Testosteron bestimmen, das mit aggressivem Verhalten in Zusammenhang gebracht wird. Das normale Spektrum aggressiver Verhaltensweisen wird aber wie das normale Spektrum der unterschiedlichen Körpergröße von vielen verschiedenen Genen sowie von Faktoren aus Umwelt und Gesellschaft beeinflusst (beispielsweise hat die Ernährung in der Kindheit Auswirkungen auf die Körpergröße des Erwachsenen). Damit unterscheiden sie sich von Einzelgen-Merkmalen wie dem Sichelzell-Hämoglobin, die bei jedem Menschen auftreten, der das betreffende Gen trägt, ohne dass die Ernährung in der Kindheit, andere Gene oder äußere Konkurrenz eine Rolle spielen. Wie die Kriegsführung, so ist auch ihr Gegenteil, die Kooperation, weit verbreitet, findet aber in den verschiedenen Gesellschaften der Menschen unterschiedliche Ausdrucksformen. Wie wir in Kapitel 1 bereits erfahren haben, wird die Kooperation zwischen Nachbargesellschaften der Menschen durch bestimmte Umweltaspekte begünstigt, beispielsweise durch schwankende Ressourcen von Jahr zu Jahr und von der Frage, ob ein Territorium alle Ressourcen für ein autarkes Überleben zur Verfügung stellt. Dass benachbarte Kleingesellschaften kooperieren, ist weder unvermeidlich noch genetisch programmiert; dass manche Gesellschaften stärker und andere weniger stark zusammenarbeiten, hat seine Gründe.
Ähnlich verhält es sich auch mit den äußeren Gründen dafür, dass manche Gesellschaften friedlich sind, die meisten aber nicht. Die meisten modernen Staatsgesellschaften waren in jüngerer Zeit in Kriege verwickelt, bei einigen war dies aber aus verständlichen Gründen nicht der Fall. Der mittelamerikanische Staat Costa Rica hat in letzter Zeit keinen Krieg geführt und schaffte 1949 sogar seine Armee ab, weil die Geschichte seiner Bevölkerung und die gesellschaftlichen Bedingungen zu relativ stark von Gleichberechtigung und Demokratie geprägten Traditionen geführt haben; auch die einzigen Nachbarn (Nicaragua und Panama) sind keine Bedrohung und bieten keine Ziele von größerem Wert, die zu erobern sich lohnen würde – eine Ausnahme ist nur der Panamakanal, aber der würde von der US -Armee verteidigt, wenn Costa Rica so töricht wäre, in eine Armee zu investieren und ihn anzugreifen. Schweden und die Schweiz waren ebenfalls seit langem nicht in Kriege verwickelt (Schweden führte früher allerdings durchaus Krieg), weil sie heute aggressive und weitaus mächtigere und bevölkerungsreiche Nachbarn haben (Deutschland, Frankreich und Russland): Sie könnten nie darauf hoffen, diese selbst zu erobern, und es ist ihnen gelungen, die Nachbarn ihrerseits von einem Angriff abzuhalten, indem sie sich bis an die Zähne bewaffnen.
Wie diese modernen Staaten, die in jüngerer Zeit keine Kriege geführt haben, so war auch eine kleine Minderheit der traditionellen Gesellschaften aus nachvollziehbaren Gründen friedlich. Die Inuit in Grönland waren so isoliert, dass sie keine Nachbarn, keine Kontakte nach außen und damit auch keine Gelegenheit zum Krieg hatten, selbst wenn sie es gewollt hätten. Über das Fehlen von Kriegen wurde auch bei einer geringen Zahl kleiner Gruppen nomadisierender Jäger und Sammler berichtet, die bei sehr niedriger Bevölkerungsdichte in einer unwirtlichen, unproduktiven Umwelt lebten, ein großes Revier hatten, kaum verteidigungswürdige Habseligkeiten besaßen und von anderen derartigen Horden relativ isoliert waren. In diese Gruppe gehören die Shoshone-Indianer im Großen Becken der Vereinigten Staaten, die Siriono-Indianer in Bolivien, einige Stämme aus der australischen Wüste und die Nganasan im Norden Sibiriens. Bauern ohne Kriegsvergangenheit sind unter anderem die peruanischen
Weitere Kostenlose Bücher