Vermählt mit einem Fremden
einer Kassette voller Gold und einem Landesfeind im eigenen Haus versteckt und wartete auf die Anweisungen eines französischen Schurken. Wie verächtlich es doch war, dass er Harriettes Ehrlichkeit so leicht infrage stellte! Wo war denn sein eigener Ehrenkodex geblieben? Begraben unter der Hingabe an die Familienehre. Wo war der Ausweg aus dieser abscheulichen Verstrickung?
Es klopfte leicht, und Harriette stand auf der Schwelle, wie von seinen Gedanken hergezaubert.
„Luke, ich wusste nicht, dass du zurück bist.“
„Seit einer Stunde erst.“
Wie ein Fausthieb traf ihn das Verlangen, das ihn bis tief ins Herz durchfuhr und seine Lenden pochen ließ. Er begehrte sie, wollte sie an sich reißen, küssen, entkleiden und sie lieben, bis sie sich ihm in rauschhafter Lust ergab. Wusste sie nicht, welch hübsches Bild sie bot? Wie wenig sie in ihrem zarten Musselingewand dem windzerzausten, salzbestäubten Geschöpf in Seemannskleidern glich! Er lächelte sie an, und nach einem winzigen Zögern erwiderte sie sein Lächeln.
Wie hatte er ihr misstrauen können? Hatte er ihr tatsächlich zugetraut, den Tod einer ganzen Schiffsbesatzung verursacht zu haben? Natürlich würde sie ihm helfen. Sie war seine Frau, und er durfte sie selbstverständlich in sein Dilemma einweihen, auf ihre klaren, vernunftgeleiteten Ratschläge hoffen.
Ohne noch eine Sekunde nachzudenken, schob er Kassette und Brief beiseite, stand auf und eilte zu ihr. Wortlos umfing er ihren Nacken mit der Hand, wühlte die Finger in ihr luftiges, duftendes Haar. Sie war ganz anschmiegsame Verführung, und er neigte sich zu ihr und drückte seinen Mund auf den ihren. Zuerst wirkte sie angespannt, doch als er den Kuss vertiefte, spürte er, wie sie nachgab und sanft aufseufzte. Sie würde ihn nicht zurückweisen. Hart presste er sie an sich, sodass sie sein Verlangen spüren musste. Er wollte sich in ihrem warmen, köstlichen Leib verlieren, wollte alles vergessen, was sie trennte.
„Du hast mir gefehlt. Ich will dich … weißt du, dass ich immer an dich denke?“, murmelte er zwischen Küssen. Versonnen betrachtete er sie, ihre sanft geröteten Wangen, ihre süßen Lippen, die um mehr Küsse bettelten – aber nicht gleich, nicht hier. Zuerst musste er versuchen, den Pfad zwischen ihnen zu ebnen. Sanft schob er sie ein wenig von sich und nahm ihre Hände in die seinen.
„Harriette – ich muss dir etwas sagen.“
Sofort kehrte ihre Anspannung zurück, sie umklammerte ihn unwillkürlich fester und wich seinem Blick aus, als fürchtete sie, was er zu sagen hatte.
„Harriette …“
„Ich muss dich auch etwas fragen“, sagte sie, ehe er wieder das Wort ergreifen konnte.
Ihr Blick wirkte bekümmert, und ihn überkam eine düstere Vorahnung. „Dann frag“, murmelte er resigniert.
„Es wird dir nicht gefallen.“
„Frag trotzdem.“
Es sollte nicht sein. Graves trat ein. „Mylord, ein Mr. Ellerdine ist hier; er möchte Mylady sprechen. Ich habe ihn in den Goldenen Salon geführt.“
„Alexander! Was macht er in London?“, rief sie.
Lucius sah ihr Lächeln aufblitzen, spürte, wie sie sich überrascht von ihm löste. Ellerdine, ihr Cousin, ihr Freund, ihr Mittäter bei unsäglichen Schandtaten. „Du begrüßt ihn wohl besser“, sagte er kühl und wandte sich der Korrespondenz auf seinem Schreibtisch zu. Widerstand dem Gefühl der Enttäuschung, gestand sich nicht den brennenden Neid darüber ein, dass dieser Mann einen Platz in ihrem Leben hatte.
Doch Harriette blieb. Sie schaute ihn an und fragte skeptisch: „Sollten wir nicht erst das hier klären? Ich kann ihm ausrichten lassen, er solle warten.“
„Warum? Du willst ihn doch sicher sehen.“
„Ja, schon, aber du sagtest, du müsstest mir etwas mitteilen. Und ich …“
„Es ist nicht wichtig.“
„Oh.“ Ein Schatten huschte über ihr Gesicht.
„Es hat Zeit. Geh, empfang deinen Cousin. Bestimmt hast du ihm viel zu erzählen.“
„Nun ja …“
Mit einem kaum hörbaren Aufseufzen ging sie hinaus, und Lucius blieb zurück, völlig niedergeschmettert von den heftigen Empfindungen, die sie in ihm auslöste. Ihre Beziehung zu Alexander Ellerdine gefiel ihm überhaupt nicht. Wie ihre Augen bei dem Namen aufgeleuchtet hatten, ließ ihn vor Eifersucht fast platzen! Selbstverständlich konnte er ihr nicht von Marie-Claude de la Roche erzählen! Gut, dass er diesen Fehler nicht gemacht hatte! Er konnte nur abwarten, bis Captain Henri zurück in Frankreich war und vielleicht
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