Vermählt mit einem Fremden
niemandem über ihre Zweifel reden konnte, war das eine verlockende Vorstellung. Doch nein, unmöglich. Nicht nur, dass sie für all die Ungeheuerlichkeiten, die sie belasteten, nicht die richtigen Worte fand, nein, sie mochte auch diese so sehr vertraulichen Angelegenheiten nicht vor Alex ausbreiten, auch wenn er ihr Cousin war.
Sie seufzte leicht. „Es gibt nichts zu erzählen.“
„Du hättest meinen Antrag annehmen und mich heiraten sollen“, schalt er sie sanft.
„Du bist sehr lieb.“ Sie vermied seinen Blick.
„Nicht lieb. Ich habe dich gern, schon immer.“
„Ich weiß.“ Aber ich liebe dich nicht – und du liebst mich nicht . Sie schluckte schwer.
Mit einem Finger hob er ihr Kinn an, sodass sie ihn anschauen musste. „Wir hätten uns in Lydyard’s Pride eingerichtet, wir beide.“
Zaghaft lächelnd entgegnete sie: „Und dann? Zugeschaut, wie es uns unter den Händen zerfällt? Beide haben wir kein Geld.“
„Noch nicht, nicht einmal der Schmuggel bringt genug ein … aber eines Tages vielleicht …“, setzte er zögernd hinzu.
„Das sind Träume, Alex; es würde ein Vermögen kosten.“
„Harry, mein Armes, wie sehr dich der Zweifel plagt“, flüsterte er. „Lass das alles hier, komm mit mir heim nach Lydyard’s Pride – Reichtum kann ich dir nicht versprechen, aber dafür kennst du mich durch und durch. Venmore wird dir die Scheidung gewähren, und du heiratest mich. Hättest du sofort tun sollen. Komm schon, Harry.“
Seine sanfte Stimme flüsterte verführerisch an ihrem Ohr, und der altvertraute Name, bei dem er sie nannte, brachte sie abermals zum Weinen.
Alexander zog sie erneut an sich und murmelte in ihr Haar: „Weine nicht. Er ist es nicht wert.“
Sie spürte seine Lippen auf ihrer Stirn.
Leise wurde die Tür geöffnet.
Auf der Schwelle stand Venmore.
Heiß errötend sprang Harriette auf, verlegen, aber gleichzeitig wütend, weil sie sich dafür schämte, dass sie sich von ihrem Cousin hatte trösten lassen. Unglücklich tastete sie nach einem Spitzentuch und trocknete sich die Augen. Die Spannung im Raum zerrte an ihrem Gemüt, trotzdem hob sie stolz den Kopf und sah ihrem Gemahl in die Augen.
Das Gesicht zu einer Maske aus Eis erstarrt, äußerte er: „Ich sehe, ich störe. Ein leidiger Fauxpas meinerseits. Natürlich gibt es Dinge zwischen Cousine und Cousin, die mich nichts angehen.“
Unter seinem Gletscherblick und angesichts seiner arroganten Haltung verzagte Harriette fast, obwohl sie sich über seine falschen Schlussfolgerungen ärgerte. „Nein … da irren Sie sich, Mylord, wirklich.“
„Wir sind verwandt, Venmore. Wir sind miteinander aufgewachsen, das verbindet. Harriette, ich muss gehen.“ Alexander verneigte sich vor ihr und zog bewusst provozierend ihre Hand an seine Lippen. Mit einer weiteren Verbeugung vor dem Earl sagte er: „Sie verzeihen, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe.“ Schon auf dem Weg zur Tür wandte er sich noch einmal um. „Harriette, du hast meinen Rat gehört. Die Entscheidung liegt bei dir.“
Dann stand sie allein vor Luke, und die Ungewissheit zwischen ihnen türmte sich himmelhoch. Sie wartete auf seine Reaktion, sah die kaum unterdrückte Wut in seinen Augen. Wie er da hoch aufgerichtet stand, starr wie eine Statue, glich er in seiner männlichen Schönheit einem Racheengel.
Lucius hielt sich mit eiserner Willenskraft zurück. Wie ein Schlag ins Gesicht hatte es ihn getroffen, Harriette in den Armen ihres verfluchten Cousins zu finden, in vertraulichstem Gespräch, kurz nachdem er sie selbst umfangen und geküsst, ja sogar erwogen hatte, seine kaum überwindbaren Schwierigkeiten vor ihr auszubreiten.
Und welchen Ratschlag hatte der schillernde Mr. Ellerdine ihr wohl gegeben? Lucius knirschte mit den Zähnen. Wie hatte er sich so von ihr einnehmen lassen können? Und sie war nicht einmal zerknirscht. Schuldbewusst ja, wie sie da aufgesprungen war. Wenigstens hatte er sich so weit im Griff, dass er sie nicht wütend anfuhr, obwohl er sie am liebsten geschüttelt hätte, um aus ihr herauszubekommen, warum sie nicht in seinen Armen Trost suchte.
Sie hatte geweint! Wenn sie Kummer hatte, sollte sie zu ihm kommen, an seiner Schulter weinen! Ihm stünde es zu, ihre Tränen fortzuküssen!
Ob der Bursche gewagt hatte, sie zu küssen? Was ihn wieder auf das eigentliche Problem brachte: Die beiden standen sich nahe – Blutsverwandte und Geschäftspartner. Schmuggler und Strandräuber.
Herrgott, sie hatte
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