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Vermählt mit einem Fremden

Vermählt mit einem Fremden

Titel: Vermählt mit einem Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ANNE O'BRIEN
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„Was haben Sie mit mir vor? Werden Sie mich den Behörden ausliefern?“
    Da sie ihn anscheinend ziemlich grimmig gemustert hatte, zwang sie sich nun zu lächeln. Sie würde nichts unternehmen, ehe Lukes Schuld ihr nicht eindeutig bewiesen wurde. Ihr ganzes Sein sträubte sich dagegen, ihn zum Verräter zu stempeln. Also sagte sie nur: „Sie sind hier sicher, Captain Henri.“
    Damit ging sie hinaus und überließ ihn seinem Mahl.
    Während der folgenden Tage hütete Harriette das Geheimnis. Sie ging aus und erwarb diverse modische Gewänder, wie Luke empfohlen hatte, doch während ihrer einsamen Ausflüge musste sie sich eingestehen, dass sie ihn unglaublich vermisste, dass sie ihr Herz an ihn verloren hatte, so sehr, dass er selbst ihre Träume beherrschte. Und wenn sie sich morgens wenig erfrischt erhob, streifte sie unruhig durchs Haus, voller Sorge, was Luke wohl in Bishop’s Waltham beschäftigen mochte.
    Selbst in der Bibliothek, in der er sich doch häufig aufhielt, konnte sie seine Gegenwart nicht erspüren, trotz der beiden Porträts, die dort den Kamin flankierten. Das eine zeigte einen jüngeren, heitereren Luke. Erst auf den zweiten Blick bemerkte sie ihren Irrtum; das dunkle Haar lockte sich, die Augen waren nicht so intensiv grün, die Züge weicher. Das also musste Marcus sein. Auf dem Gemälde daneben jedoch war eindeutig Luke abgebildet – nein, es war Lucius Hallaston, Earl of Venmore, der da auf sie niederschaute, ernst, streng, kühl und abschätzend. Ein hervorragendes Charakterbild, doch sie mochte es nicht.
    Als sich hinter ihr die Tür öffnete, wirbelte Harriette herum, fast als ob sie Luke in Person zu sehen erwartete. Aber es war nur Adam.
    „Harriette, wo ist Luke hin?“
    „Er ist nach Bishop’s Waltham gereist. Weißt du, was er dort zu tun hat?“
    „Luke sagt mir nicht alles. Aber warte, ich habe den Namen neulich irgendwo gelesen … ah ja, dort sind französische Kriegsgefangene untergebracht, Offiziere, die man auf Ehrenwort freigelassen hat.“
    „Was sollte er denn da wollen?“
    „Wahrscheinlich schaut er sich in der Gegend nach einem neuen Zuchthengst um.“
    Eben das glaubte Harriette nicht. Also war Adam von Luke ebenso wenig eingeweiht worden wie sie selbst!
    Sie wandte sich wieder dem Porträt zu, und Adam folgte ihrem Blick.
    „Es ist sehr gut“, sagte sie. „Er sieht darauf sehr …“
    „Stolz aus?“, fragte Adam.
    „Nein, ich wollte sagen, arrogant.“
    „Ja“, stimmte er mit einem Seufzer zu. „Er war da sehr unglücklich. Es wurde letztes Jahr gemalt, kurz nach Marcus’ Tod.“
    „Adam, bitte, erzähl mir von Marcus. Dein Bruder spricht mit mir einfach nicht darüber. Oder würde es dich zu sehr schmerzen?“
    „Marcus war sechs Jahre älter als ich, also näher an Lukes Alter, sodass ich mit ihm nicht besonders vertraut war. Von frühester Jugend an wollte er zum Militär, und sobald er alt genug war, besorgte Luke ihm ein Offizierspatent.“
    „Er kämpfte in Spanien?“
    „Ja, im vergangenen Juli ist er gefallen. Es hat uns schrecklich getroffen. Luke verschloss sich daraufhin wie eine Auster. Komisch, man weiß zwar, dass im Krieg Leute sterben, aber man denkt immer, die eigene Familie werde es nicht treffen. Alle mochten Marcus, er war so lebensfroh … ich vermisse ihn … und auch Luke ist nicht über seinen Tod hinweggekommen.“ Ratlos hob er die Schultern, dann brach es jäh aus ihm heraus: „Harriette, etwas belastet Luke, und ich weiß nicht, was, er will einfach nicht mit mir darüber reden. Da unsere Eltern früh starben, kümmerte er sich um uns, war fürsorglich, und wir vertrauten ihm. Besonders gesprächig war er nie, eher zurückhaltend, aber nun ist es … ich weiß auch nicht … er ist abwesend, unnahbar …“
    Sanft legte sie ihm eine Hand auf den Arm. „Ich weiß, Adam, aber ich kann dir auch nicht raten.“
    „Tut mir leid, ich wollte dich nicht damit belasten. Ich wünschte nur, dass er mir vertraute. Aber du bist seine Frau, mit dir spricht er vermutlich?“
    „Nein, Adam, auch mit mir nicht.“
    Du bist seine Frau, mit dir spricht er! Welche Ironie. Während sie den Mann mit der herben Miene auf dem Porträt anstarrte, grübelte sie darüber nach, dass ihre Liebe allein offensichtlich nicht genügte, seine Sorgen zu lindern, solange er es ihr nicht erlaubte.
    Als in diesem Moment der Klopfer am Portal betätigt wurde, ging sie hinaus in die Halle, wo Graves einen sorgsam gekleideten Herrn eingelassen

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