Vermählung um Mitternacht
fiel ihr bloß kein flotter Verehrer ein, irgendjemand, der ebenso vornehm wie attraktiv war? Von der Sorte musste es im ton doch nur so wimmeln, aber sie konnte nur an den Mann an ihrer Seite denken.
Er starrte sie lang an, bevor er sich wieder den Pferden zuwandte und sie zum Trab anspornte. Seine Bewegungen wirkten mechanisch, als fechte er einen großen inneren Kampf aus und wisse kaum, was er tat. »Wie lang kennst du Nick schon?«
Seit ihrer ersten Saison als Anstandsdame ... als sie Alec zum ersten Mal gesehen hatte. Sie lächelte zittrig. Als sie Alecs starren Blick auffing, schluckte sie. »Seit vier Jahren. Etwas länger, um genau zu sein. Warum?«
Sein Gesicht verkrampfte sich, und neben seinem Mund erschienen tiefe Falten. »Ich möchte dich daran erinnern, dass du mit mir verheiratet bist, meine Liebe.«
»Das werde ich wohl kaum vergessen.«
»Gut.« Mit entschieden unfreundlichem Blick fragte er: »Wie hat die Vereinigung deine Erklärung heute Morgen aufgenommen?«
Bei diesem Themenwechsel blinzelte sie überrascht. »Ich glaube, wir haben die meisten Details geklärt«, erwiderte sie vorsichtig.
»Dann steht es also fest.« Er packte die Zügel fester. »Ich weiß, dass sie dich ebenso vermissen werden wie du sie, aber es ist wirklich am besten so.«
Sie steckte ihr Taschentuch ins Retikül zurück. »Wie bitte?«
Er warf ihr einen Blick zu, der ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigte. »Ich sagte ...«
»Ich weiß, was du gesagt hast, ich begreife es nur nicht. Was meinst du damit, dass sie mich vermissen werden?«
In seinen grauen Augen spiegelte sich Verwirrung. »Erinnerst du dich vielleicht an letzten Abend?«
»Natürlich entsinne ich mich an letzten Abend. Du bist in mein Zimmer gekommen, und dann haben wir ...«
»Nein«, unterbrach er sie errötend. »Das nicht. Ich meine die Dinnerparty, auf der die hübsche Desiree ein solches Aufsehen erregt hat. Du hast versprochen, deine Arbeit in der Vereinigung aufzugeben, wenn sie einen Skandal verursacht.«
Eigentlich hätte es ihr nichts ausmachen dürfen, dass Alec Desiree hübsch fand, denn das war das Mädchen ja auch. Und doch tat es weh, ihn das laut aussprechen zu hören. Vor allem, da er zu ihr noch nie etwas Derartiges gesagt hatte. Sie räusperte sich und entgegnete: »Aber sie hat doch keinen Skandal verursacht.«
»Julia, die Hälfte der Männer am Tisch wusste, wer und was diese Frau ist!«
Sie betrachtete ihn mit hochgezogenen Brauen. »Haben sie etwas in der Richtung geäußert, als ihr euch zum Portwein zurückgezogen habt?«
»Nein, alle haben sich bloß verlegen angeschwiegen und es nicht gewagt, einander in die Augen zu schauen.«
»Na also. Denen ist das viel zu peinlich, als dass sie ein Wort darüber verlieren würden. Du wirst schon sehen, da kommt nichts mehr nach. Von jetzt an lasse ich Desiree einfach unten, wenn wir Gäste empfangen.«
»So leicht wird es nicht sein.«
»Wart’s nur ab.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht länger darüber diskutieren. Du ziehst dich aus der Vereinigung zurück und wirst nichts mehr mit dieser lächerlichen Dienstbotenvermittlung zu tun haben.«
»Unsinn. Wir haben schon alles geplant für den Start nächste Woche.«
»Verdammt! Du hast doch gesehen, was passiert, wenn du eine deiner Frauen aus der Vereinigung als Dienstbotin ausgibst. Es funktioniert einfach nicht.«
»Desiree kann man wohl kaum als repräsentativ betrachten. Die Frauen der Vereinigung sind alle aus Whitechapel, keiner deiner Bekannten wird je mit ihnen zu tun gehabt haben.«
»Und wenn doch?«
»Dann werden sie es als Zufall abtun und nicht weiter darüber nachdenken. Nur wenige sind so auffällig wie Desiree.«
Alec hielt den Jagdwagen vor dem Hunterston House an. »Du wirst jemand anderen finden müssen, der das Projekt unterstützt.« Er sprach langsam, als müsste er all seine Kraft darauf verwenden, seinen Ärger zu bezähmen. »Ich erlaube dir nicht, dich daran zu beteiligen.«
Julia schlug das Herz bis zum Hals. »Du kannst mich nicht aufhalten.«
»Heißt das, du gehorchst mir nicht?«
Sie dachte an den hoffnungslosen Blick der Frauen aus Whitechapel und stählte sich. »Ja.«
Alec starrte sie an. Sein Atem ging rasch, seine Lippen waren zu einer strengen Linie zusammengepresst. »Nun gut, meine Liebe. Nachdem du entschlossen bist, uns ins Verderben zu stürzen, brauche ich mir wohl auch keine Gedanken mehr darüber zu machen, ob ich dein Zartgefühl verletze - oder das
Weitere Kostenlose Bücher