Vermählung um Mitternacht
betrachten. Sie hatte mehr gesehen, als für ein Mädchen gut war. Aber nichts hatte sie auf die lodernde Leidenschaft vorbereitet, die sie mit Alec empfunden hatte.
Sie hatte tief und traumlos geschlafen, und als sie erwachte, lag er eng an sie geschmiegt, seine Beine mit den ihren verschlungen, sein Atem warm in ihrem Nacken. Mit geschlossenen Augen hatte sie dagelegen und den Moment ausgekostet. Vielleicht würde er ihre Liebe eines Tages erwidern. Julia hatte gelächelt, als sie sich das vorstellte, und sich enger an ihn gekuschelt, ihre Wange an seiner Brust.
Vorerst würde sie sich mit dem bescheiden, was er ihr gegeben hatte - eine Nacht voll reiner, köstlicher, erfüllender Leidenschaft. Die Tränen waren ihr in die Augen gestiegen, weil alles so neu, so wunderbar war.
Natürlich würde Alec ihre leidenschaftliche Nacht für nichts Besonderes halten. Wie alle Wüstlinge würde er die Nacht als angenehmes Erlebnis betrachten, als Zeitvertreib, den man genoss und dann vergaß.
Bei dem Gedanken begann sie sich in seiner Umarmung zu regen. Würde er das tun? Aufwachen, sich abwenden und so tun, als wäre nichts geschehen? Würde er von ihr erwarten, dass sie sich benahm wie immer, gleichgültig und ergeben, als ob ihr Verhältnis sich nicht gewandelt hätte? Als wäre sie ihm jetzt nicht noch enger verbunden, als liebte sie ihn jetzt nicht noch mehr?
Julia hatte sich seinem warmen Griff entzogen und war aus dem Bett geschlüpft. Alec hatte im Schlaf die Stirn gerunzelt und ihr Kissen an sich gedrückt, war aber nicht aufgewacht. So leise wie möglich zog sie wahllos irgendwelche Sachen an. Jetzt konnte sie ihm einfach nicht entgegen treten, nicht wo ihre Liebe zu ihm so in den Vordergrund geraten war, dass er die Wahrheit auf einen Blick erkannt hätte. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln und sich gegen ihre Gefühle zu wappnen.
Eines Tages würde er sie auch lieben. Aber es wäre fatal, ihn unter Druck zu setzen. Sie wollte ihn sanft umwerben, ihn den Wert der wahren Liebe lehren, wie schön es war, wenn man sich aus anderen etwas machte. Vielleicht war das doch der richtige Weg, ihn zu bessern.
Jetzt jedoch musste sie sich erst einmal beruhigen. Zum Glück war für diesen Morgen eine Zusammenkunft der Vereinigung angesetzt. Im Morgengrauen hatte Julia ihr Haar aufgesteckt und war dann noch einmal am Bett stehen geblieben, um auf den schlafenden Alec zu blicken. Zerzaust und jungenhaft hatte er ausgesehen, und das Haar war ihm in die Stirn gefallen. Beinahe hätte sie ihn berührt, hielt sich dann jedoch zurück. Mit einem tiefen Seufzer verließ sie das Zimmer.
Sie erreichte Whitechapel, gerade als Lord Burton aus der Kutsche stieg. Er scherzte in einer Tour, während er sie ins Büro des Pfarrers geleitete, wo der restliche Vorstand bereits zusammengekommen war. Sie bekam nicht viel mit von der Versammlung.
Julia versuchte, sich auf das Geschehen zu konzentrieren, doch dauernd tauchten Bilder der vergangenen Nacht vor ihrem geistigen Auge auf, so dass sie nicht mehr in der Lage war zu reden. Zweimal vergaß sie mitten im Satz, was sie hatte sagen wollen. Verstört verabschiedete sie sich, sobald es irgend ging, und huschte aus der Tür.
Auf der Vordertreppe blieb sie mit heftig klopfendem Herzen stehen. »Alec.«
Er lehnte unten am Geländer, die Hände in den Taschen. Seine Augen lagen im Schatten der Hutkrempe. »Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu bringen.«
Julia blickte sich vorsichtig um, erleichtert, dass ihr keiner gefolgt war. »Du solltest nicht hier sein.«
Er biss die Zähne zusammen. »Vielleicht wird es ja allmählich Zeit, dass die anderen von deinem Ehemann erfahren.«
»Dafür ist es jetzt ein bisschen zu spät.« Sie lief an ihm vorbei und hielt Ausschau nach Johnston, der hinter Alecs Jagdwagen mit der Kutsche hätte warten sollen.
»Ich hab ihn heimgeschickt«, erklärte Alec. »Steig ein, Julia.«
»Aber ich will gar nicht nach Hause. Ich komme heute erst spät zurück. Ich habe eine Menge Sachen zu erledigen. Ich muss ein Buch in der Leihbücherei zurückgeben, und außerdem hat Lady Birlington mich ausdrücklich gebeten, zum Tee zu kommen.« Das sollte ihm eigentlich beweisen, dass die letzte Nacht sie nicht im Mindesten berührt hatte.
Und doch wirkte er alles andere als erfreut. Sein Mund war schmal vor Zorn. »Das kann alles warten.« Er zog sie zum Jagdwagen, ohne ihr Zeit für Einwände zu lassen.
Unmutig nahm Julia ihren Platz ein. »Ich begreife nicht,
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