Vermählung um Mitternacht
ergeben. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Lieber Gott, nein. Außerdem wäre das auch egal. Männer wissen nie, was in einer Frau vorgeht. Keine Ahnung, warum das so ist, denn man kann schließlich nicht behaupten, dass wir ihnen nicht genug Hinweise gäben.«
»Das stimmt. Ich hab mich ihm praktisch an den Hals geworfen, und er ... hat nicht darauf reagiert.«
Lady Birlington blickte sie scharf an. »Nein?«
»Nein«, erwiderte Julia traurig. Die Glieder wurden ihr bleischwer, und ihr Herz fühlte sich ganz leer an.
»Jetzt werd mir bloß nicht zimperlich«, bat Lady Birlington hastig. Sie bemerkte, wie Julia sich zusammennahm, und seufzte. » Vermutlich sollte ich dir helfen. Ich bin keine schlechte Ehestifterin. Schließlich war ich diejenige, die Lady Chambers ihrem späteren Gatten vorstellte.« Sie runzelte die Stirn. »Allerdings habe ich den schon immer für einen Dummkopf gehalten. Aber wenn es ihr nichts ausmacht, was sollte ich dann dagegen einzuwenden haben? Sie wirken recht glücklich miteinander.«
Julia dachte daran, was für ein Gesicht Lord Chambers bei Desirees Anblick gemacht hatte, und fragte sich, wie es um sein Glück in Wirklichkeit bestellt war.
»Eins nach dem anderen.« Mit dem Rohrstock stupste Lady Birlington Ephram in den Bauch. Der Mops machte ein Auge auf und wedelte mit dem Ringelschwanz. »Du musst Hunterstons Aufmerksamkeit erringen.«
»Die habe ich schon. Alles, was ich tue, erzürnt ihn.«
»Na, das ist doch schon mal ein Anfang. Als Nächstes musst du dich auf sein Niveau begeben. Du musst ihm zeigen, dass du eine der aufregendsten, unberechenbarsten Frauen bist, die er kennt. Dann wird er keine andere mehr angucken.«
Die Vorstellung, eine geheimnisvolle, bezaubernde Verführerin zu sein, reizte Julia sehr. »Wie fange ich das an?«
Lady Birlington unterzog sie einer kritischen Musterung. »Als Erstes brauchst du neue Kleider.«
Julia betrachtete ihren Morgenkleid aus zartgelbem Musselin, unter dem sie ein blaues Satinmieder trug. »Was hast du an dem Kleid auszusetzen? Ich finde es reizend.«
»Das ist das Problem. Du willst nicht reizend aussehen, du willst, dass er das Gesicht an deinen Hals drückt und mit der Hand unter dein ... «
»Tante Maddie! So etwas könnte ich in der Öffentlichkeit nie tragen!«
»Wer redet denn von der Öffentlichkeit? Und erzähl mir jetzt nicht, dass du an seinen intimen Aufmerksamkeiten nicht interessiert bist. Du müsstest schon blind oder mausetot sein, um nicht zu erkennen, wie attraktiv dein Ehemann ist.«
Julia war sich der körperlichen Reize ihres Gatten durchaus bewusst. »Was glaubst du, was Alec tun würde, wenn ich zugäbe, dass ich ihn ... mag?«
»Davonrennen, als stünden seine Rockschöße in Flammen. Hab noch keinen Mann erlebt, der sich so vor Bindungen scheut.« Lady Birlington schüttelte den Kopf, dass die Kunstblumen in ihrer Perücke dramatisch auf und ab hüpften. »Daran ist sein Großvater schuld. Er dachte, er habe Alecs Mutter viel zu sehr verwöhnt, und war entschlossen, den Fehler bei seinem Enkel wieder wettzumachen.«
»Mrs. Winston hat mir erzählt, dass er Alec wegen der geringsten Kleinigkeit angefahren hat.«
»Das stimmt. So oft, dass ich vermute, der Junge kann seinen eigenen Wert gar nicht einschätzen.« Lady Birlington runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich kommt er sich neben einer Wohltäterin wie dir noch schlechter vor. Mein Gott, manchmal fühle sogar ich mich neben dir richtig erbärmlich.«
»Wie kann Alec nur so etwas annehmen? Er ist doch so ... so ... eben ganz er selbst.«
»Hübsch wie Herkules, was?«
Es war mehr als das. Dazu zählte auch, dass er Muck ein Spielboot gegeben hatte, als er glaubte, keiner würde hinsehen, dass er Mrs. Winston erlaubte, ihn »Master Alec« zu nennen, und dass er jeden Abend so tat, als tränke er Burroughs’ warme Milch. »Alec kann ein sehr guter Mensch sein, wenn er nur will.«
»Das hoffe ich um deinetwillen.« Lady Birlington tippte auf die Armlehne ihres Sessels. »Vermutlich hast du mit ihm inzwischen das Bett geteilt.«
Julia blinzelte.
»Schau mich nicht so an«, befahl Lady Birlington, obwohl sich auch auf ihren pergamentenen Wangen eine verräterische Röte zeigte. »Ihr seit nun fast vier Monate verheiratet. Da solltest du zumindest eine Ahnung haben, wovon ich rede. Und wenn nicht, dann ist Hunterston nicht der Mann, für den ich ihn immer gehalten habe.«
»Wir ... wir haben ... wenn du davon sprichst, dass
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