Vermählung um Mitternacht
hinter ihr sah ihr so ähnlich, dass es sich wohl um ihre Tochter handeln musste. Die Nase hoch in die Luft gereckt, den Blick starr geradeaus, rauschten die beiden an Julia vorbei, als wäre sie Luft.
Lady Harrington höhnte: »Nun ja, Eveline, von einem so eingebildeten Stück erwartet man ja auch nichts anderes. Sie hätte bei den Anstandsdamen bleiben sollen, wo sie hingehört.«
Kichernd erwiderte die Tochter: »Man könnte fast sagen, die hat der Teufel geritten.«
Unter lautem Gelächter stiegen die beiden in ihre Kutsche. Julia hatte damit gerechnet, dass es unangenehm werden würde, aber sie erzitterte trotzdem unter dem grausamen Gelächter.
Hinter ihr räusperte sich Johnston. »Madam, wenn es Sie tröstet: Ich glaube, Sie haben es richtig gemacht mit Miss Desiree.« Überrascht wandte Julia sich um. »Vielen Dank, Johnston.«
»Besonders klug ist sie ja nicht, aber auch kein bisschen bösartig. Und was die anderen denken ...«, böse starrte er der Kutsche nach, »... machen Sie sich da mal keine Sorgen. Die, die was taugen, werden zu Ihnen halten, und der Rest - na, auf den können Sie verzichten. «
»Danke, Johnston. Das ist wirklich sehr lieb von Ihnen«, sagte Julia, die vor Rührung kaum noch sprechen konnte.
Wieder öffnete sich die Tür, und diesmal kam eine einzelne Gestalt heraus - eine Dame in einem grünen Seidenkleid. Auf den modisch gedrehten Locken saß eine Zigeunerschute, die unter dem Kinn mit einer verwegenen Schleife festgebunden war. Die lebhafte Garderobe und die angenehmen Gesichtszüge wurden jedoch von einer stolzen Römernase beeinträchtigt, die ihr etwas Raubvogelhaftes verliehen. Als sie Julia bemerkte, zögerte sie und ging dann weiter den Pfad hinunter.
Julia blieb stehen. Lady Burton. Bei den Zusammenkünften der Vereinigung sprach Lord Burton kaum von seiner Frau, erwähnte nur mit großer Müdigkeit ihre gesellschaftlichen Ambitionen.
Plötzlich erkannte sie, dass der Artikel sie in mehr als einer Hinsicht bloßgestellt hatte. Wenn die Vorstandsmitglieder herausbekamen, dass sie ihnen ihre Heirat verschwiegen hatte und sie die anonyme Wohltäterin war, wären sie sicher sehr verletzt.
Julia war so in Gedanken vertieft, dass sie Lady Burtons Gruß völlig überraschte.
»Lady Hunterston, wie angenehm. Die Dowager Duchess of Roth ist ganz begeistert von Ihrem Engagement für den Ball heute Abend. Bestimmt wird es ein großartiger Erfolg.«
Der Wohltätigkeitsball. Julia hätte beinahe aufgestöhnt. Den hatte sie über den morgendlichen Ereignissen ganz vergessen. Sie zwang sich, Lady Burtons Lächeln zu erwidern. »Ich hoffe, wir sehen Sie auch dort.«
»Aber natürlich! Hoffentlich kann ich Lord Burton überreden, mich zu begleiten.« Zu ihrer Überraschung entdeckte Julia ein vergnügtes Funkeln in den grauen Augen der Lady. »Aber Sie wissen ja selbst, wie er ist, fast ein Einsiedler. Ich glaube, ohne seine Wohltätigkeitsarbeit würde er sich überhaupt nie vor die Tür begeben.«
Julia brachte ein Lächeln zustande. »Lord Burton ist eine große Stütze der Vereinigung. Er spricht oft von Ihnen. Er erwähnte, Sie besäßen großes Organisationstalent.«
Lady Burtons Wangen liefen rosa an, und ihre Lippen umspielte ein erfreutes Lächeln, das ihr ganzes Gesicht weicher erscheinen ließ. »Hat er das wirklich gesagt? Dann muss ich mich bei ihm gleich beim Heimkommen für diese netten Worte bedanken.«. Sie legte Julia die Hand auf den Arm. »Lassen Sie sich von diesem Artikel heute Morgen nicht aus dem Gleichgewicht bringen, meine Liebe. Verlassen Sie sich darauf, Burton und die anderen bringen das wieder in Ordnung. Sie sprachen schon darüber, als ich aus dem Haus ging.«
Hoffnung regte sich in Julias Herzen, bis ihr einfiel, dass Lord Kennybrook ja unbedingt eine Wurstfabrik gründen wollte. Es waren lauter liebe alte Herren, aber in ihrer augenblicklichen Lage wären sie ihr wohl kaum eine Hilfe. Sie lächelte dennoch. »Sie sind wirklich alle sehr nett.«
»Sie auch, Lady Hunterston. Aber jetzt muss ich mich auf den Weg machen. Ich freue mich schon, Sie heute Abend zu sehen.« Mit einem Nicken ging Lady Burton davon.
Kurz darauf folgte Julia dem großen, dünnen Butler in den Morgensalon, wo Lady Birlington am Kamin saß, ein blaues Kaschmirtuch über den Schoß gebreitet. Auf einem Kissen zu ihren Füßen schnarchte Mops Ephram, dem sie abwesend den Bauch kraulte.
Als sie Julia bemerkte, rief sie aus: »Da bist du ja! Ich hab mich schon gefragt,
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