Vermählung um Mitternacht
Lucien. »Ich geb’s nicht gern zu, aber das Bürschchen hat Recht. Ein derart merkwürdiges Benehmen wird auf alle Fälle für Gerede sorgen. Denkst du, du könntest mit ihr sprechen? Sie vielleicht davon abbringen, sich allzu öffentlich zu engagieren?«
»Bei Jupiter, das ist es!« strahlte Edmund. »Man muss nicht gleich eine Menge Staub aufwirbeln, es reicht, wenn du sie bittest, ein bisschen diskreter zu sein.«
Auch wenn Alec Julia Frant noch nicht sonderlich gut kannte, bezweifelte er doch, dass sie einen Hinweis freundlicher aufnehmen würde als einen direkten Befehl. Er rutschte auf seinem Stuhl herum. »Sie ist sehr engagiert.« Mehr als ihm lieb war, wenn er es sich recht überlegte. Obwohl er noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden mit Julia verheiratet war, hatte er bereits entdeckt, dass sie unglaublich entschlossen sein konnte. Ob es nun um Küsse oder eine gute Sache ging - Julia war entweder voll Leidenschaft dabei oder gar nicht.
»Sie wäre wohl nicht bereit, sich eine andere wohltätige Organisation zu suchen? Eine, die in einem besseren Viertel zusammenkommt?« Edmund las die Antwort in Alecs starrem Blick und seufzte mitfühlend. »Ich weiß schon, wie es ist. Sobald sich ein Frauenzimmer mal irgendeine Grille in den Kopf gesetzt hat, kann man sie nicht mehr zur Vernunft bringen.«
»Dann ist da auch noch Therese«, gab Lucien zu bedenken. »Die macht bestimmt Schwierigkeiten, sobald sie merkt, was geschehen ist.«
Edmund runzelte die Stirn. »Ihr hättet sie letzten Abend erleben sollen; sie hat so selbstzufrieden ausgesehen, dass ich fast unhöflich geworden wäre.«
»Wegen Therese mache ich mir keine Sorgen«, sagte Alec ungeduldig. »Auf Nick muss man aufpassen. Der schreckt vor nichts zurück, um das Erbe an sich zu bringen.«
Lucien blies einen Rauchring an die Decke. »Unsere Julia braucht seelischen Beistand.«
»Seelischen Beistand?« wiederholte Edmund. »Du glaubst, ein Pfarrer könnte ihr helfen? Sicher, er könnte mit ihr beten, aber was soll ihr das in der Gesellschaft helfen?«
Der Herzog verzog die Lippen. »Nichts, in der Tat. Ich meinte, dass Julia Unterstützung braucht von jemandem, dem sie am Herzen liegt. Jemand, der ihr den Pfad in die Gesellschaft ebnet.«
»Das kann ich schon selbst«, erklärte Alec finster.
Amüsiert blitzten Luciens Augen auf. »Du magst die besten Absichten haben, gibst aber wohl kaum ein Musterexemplar des ton ab.«
Alec schluckte seinen Ärger hinunter. Lucien hatte Recht. Er konnte Julia kaum die richtige Hilfe bieten, die sie brauchte, um die Klippen der vornehmen Gesellschaft zu umschiffen.
»Vielleicht könnte uns meine Mutter helfen«, schlug Edmund vor.
Lucien schüttelte den Kopf. »Nein, Bürschchen. So sehr ich deine verehrte Mutter auch schätze, würde sie es wohl kaum schaffen, sich nicht bei ihren Freundinnen zu verplappern.«
»Stimmt, meine Mutter ist ziemlich schwatzhaft. Hab mir oft gedacht, dass es das war, was meinen Vater ins Grab gebracht hat. Er war nämlich immer gesund wie ein Fisch im Wasser. Mutter war fest entschlossen ... «
Lucien unterbrach ihn. »Wir brauchen jemanden, der weiß, wie wichtig Diskretion ist, jemanden, der bereits etabliert ist. Jemanden ...«Er brach ab.
Alec beugte sich vor. »Dir ist jemand eingefallen.«
Langsam nickte der Herzog. »Es gäbe eine Person, die wir allerdings erst von unserer Sache überzeugen müssten.«
»Wen denn?« fragte Edmund eifrig.
»Lady Birlington.«
Alec runzelte die Stirn. »Die verrückte Maddie Birlington?«
»Was hat meine Großtante mit alldem zu tun?« wollte Edmund wissen.
»Falls Lady Birlington Julia unter ihre Fittiche nähme, würde Therese es niemals wagen, sie verächtlich zu behandeln.« Lucien zog eine Braue hoch. »Niemand würde es wagen.«
Edmund rieb sich das Ohr. »Ich räume es nicht gerne ein, aber es stimmt. Hab’s nie verstanden. Die alte Dame ist zu jedem unhöflich und außerdem leicht übergeschnappt. Letzte Woche hat sie dem Duke of York direkt ins Gesicht gesagt, dass er ein Dummkopf ist. Und als er ihr ins Gewissen reden wollte, hat sie ihn so lang arrogant angestarrt, bis er knallrot anlief und anfing, sich bei ihr zu entschuldigen, als wäre er derjenige ...«
»Lucien, ich glaube fast, du hast es getroffen.« Alec erhob sich. Lady Birlington war eine Frau nach Julias Geschmack. Wenn irgendwer ihr beibringen konnte, sich in der Gesellschaft zu bewegen, dann sie. Alec spürte Hoffnung in sich aufkeimen. »Es
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