Vermählung um Mitternacht
halten uns für völlig gegensätzlich.« Sein Ton war lässig, und doch schwang Bitterkeit darin mit.
»Was ist passiert, was hat euch auseinander gebracht?«
»Nichts, was dich in irgendeiner Weise berührt.«
Julia zog die Augenbrauen hoch, überrascht ob der Schärfe seines Tons. »Du kannst es mir genauso gut gleich erzählen. Mrs. Winston kommt früher oder später doch darauf zu sprechen.«
»Warum möchtest du denn so viel über Nick erfahren?«
»Weil du mich dauernd vor ihm warnst. Es wäre ganz hilfreich, wenn ich wüsste, warum.«
»Einen anderen Grund hast du nicht?«
»Welchen Grund könnte ich denn sonst haben?« fragte sie überrascht.
»Vermutlich keinen. Und du hast Recht, Mrs. Winston wird dir irgendwann von Nick berichten.« Er führte Julia an einer korpulenten Matrone vorbei, die sich ihnen in den Weg gestellt hatte. »Als ich zehn war, zog mein Vetter zu uns. Großvater hatte herausgefunden, dass seine Mutter ihn bei fast fremden Leuten zurückgelassen hatte, während sie mit ihrem Liebhaber durch Europa zog.«
»Was für eine furchtbare Frau! «
»Das ist nicht genau das, was mein Großvater sagte, aber es kommt dem nahe. Nick war eben dreizehn geworden und war außer sich vor Zorn, dass man ihn irgendwo auf dem Land versauern lassen wollte. Das hat er selbst so formuliert.«
»Nun ja, er war zornig, dass man ihn zurückgelassen hatte, das ist eine völlig normale Reaktion.«
»Vielleicht. Ich jedenfalls freute mich, einen Kameraden zu bekommen, auch wenn dieser ziemlich mürrisch war. Ich folgte ihm wie ein junger Hund. Er hatte schon so viel erlebt, hatte schon so vieles gesehen, während ich über London nie hinausgekommen war.«
»Mir ging es mit Therese ähnlich, als ich sie kennen lernte. Ich merkte aber ziemlich bald, dass ich mich geirrt hatte.«
»Du, mein Liebes, warst da schon ein wenig älter und erfahrener. Ich war ein Kind und hielt meinen aufregenden Vetter für unfehlbar.« Er stockte. »Ein paar Monate schien es so, als würde alles gut gehen. Ich glaube, es hat ihm sogar bei uns gefallen. Bridgeton House hat einen ganz eigenen Charme. Aber dann verschwand eine größere Summe Geldes aus Großvaters Bibliothek.«
»Wie denn?«
»Sie wurde gestohlen. Anscheinend hatte ich mich in meinem Vetter getäuscht. Nick war auch nur ein Mensch mit Schwächen.«
»Woher willst du wissen, dass er der Täter war?«
»Großvater hat ihn mit den Beweisen konfrontiert. Nick hat nicht einmal versucht, es abzustreiten.« Alec blieb neben einem Tisch stehen und goss etwas Limonade in ein Glas. »Natürlich hätte er auch nicht viel sagen können. Er hatte es getan, und wir alle wussten es.«
Abwesend nahm Julia das Glas entgegen. »Hmm.«
Alec zog eine Braue hoch. »Was soll das heißen?«
»Nur dass es mir etwas unwahrscheinlich vorkommt, dass dein Vetter es einfach zugegeben hat. Dazu ist er doch viel zu klug.« Alecs Miene verfinsterte sich. »Du scheinst Nick ja sehr gut zu kennen.«
»Die letzten vier Jahre bin ich ihm oft genug begegnet, auch wenn wir kaum miteinander geredet haben.« Sie blickte sich nach Muck um, der eben voll Ehrfurcht den großen Kronleuchter betrachtete, der von der Decke hing. Sie lächelte und wandte sich wieder Alec zu. »Was geschah, nachdem dein Vetter den Diebstahl zugegeben hatte?«
»Großvater war vollkommen verstört. Nachdem er Nick bei sich aufgenommen hatte, fühlte er sich jetzt grausam verraten. Zum Glück war Nicks Mutter gerade aus Europa zurückgekehrt. Großvater befahl ihr, mit ihrem Sohn zu verschwinden. Sie hatten einen Riesenstreit, weil sie sich nicht mit ihrem Sohn belasten wollte. Aber Großvater war unerbittlich, und so nahm sie Nick am nächsten Tag mit nach Frankreich.«
Julia entschied, dass sie Mrs. Winston nun doch ein wenig drängen wollte - diese Geschichte musste sie in allen Einzelheiten erfahren. »Als ich Nick kennen lernte, war er gerade vom Kontinent zurückgekehrt. «
»Wir können uns an seiner Anwesenheit erfreuen, weil die Familie seiner Mutter vor Napoleons Truppen fliehen musste.«
Julia nippte an ihrer Limonade. »Sie haben also zur französischen Aristokratie gehört?«
»Ja.« Alec nahm ihr das Glas ab und stellte es auf den Tisch. »Möchtest du ein Glas Wein?«
Obwohl Julia das Thema gern weiterverfolgt hätte, erkannte sie, dass Alecs Mitteilsamkeit erlahmte. »Nein, danke. Wie lief es mit den Testamentsvollstreckern?«
»Sie haben sich erstaunlich schnell damit arrangiert, dass ich statt
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