Vermählung um Mitternacht
Therese dich geheiratet habe.«
»Ich habe schon befürchtet, sie könnten Einwände erheben.«
Das hatte Alec auch befürchtet und damit gerechnet, seine Heirat rechtfertigen zu müssen. Doch die Testamentsvollstrecker hatten die Papiere, die Julias Anspruch bewiesen, nur kurz durchgeblättert, bevor sie sich daran machten, all seine Charakterfehler einer höchst demütigenden Prüfung zu unterziehen.
Einer der Herren, ein wichtigtuerischer Esel, der ihn dauernd provozierte, hatte sogar anzudeuten gewagt, sobald Julia »guter Hoffnung«sei, könne die Erbschaftsangelegenheit sofort geregelt werden. Alec war sich vorgekommen, als hätte man ihm die Schlinge um den Hals gelegt und diese Zoll für Zoll zugezogen.
Wie die Testamentsvollstrecker ihm genüsslich erläuterten, stand Julia unter seinem Schutz. Wenn ihr irgendetwas zustoßen sollte, sei er direkt dafür verantwortlich. Er dachte an den morgendlichen Zwischenfall in der Eingangshalle und verzog das Gesicht. Bevor er Julia vor Nick schützen konnte, musste er erst einen Weg finden, sie vor der Begierde ihres eigenen Mannes in Sicherheit zu bringen. Aber schon ihr Duft nach Zimt und Zitronen genügte, um seine Männlichkeit anschwellen zu lassen.
Er schaute auf seine Frau hinunter, und die Kehle wurde ihm eng. Obwohl sie nie so herausragend schön wie Therese sein würde, war Julia eine durchaus attraktive Frau. Außerdem besaß sie eine sinnliche Eleganz und einen scharfen Witz, mit dem sie ihm selbst unter widrigsten Umständen ein Lachen entlocken konnte, und damit überstrahlte sie ihre weniger faszinierende Cousine mit Leichtigkeit.
Julia fing seinen Blick auf und errötete. Sie trug ein Gewand aus weißer Gaze über einem mintgrünen Unterkleid; das Haar hatte sie zu Korkenzieherlocken gedreht und locker aufgesteckt, und von ihrem Handgelenk baumelte ein hübscher Fächer. Sie bot einen Anblick vollkommener Unschuld - nun, sie war ja auch vollkommen unschuldig.
Sie zog die zarten Brauen zusammen. »Vielleicht sollte ich mich einmal an die Testamentsvollstrecker wenden. Wenn ich ... «
»Nein«, unterbrach er sie. Ihn schauderte, wenn er sich vorstellte, was diese gesetzten und zurückhaltenden Gentlemen von Julias direkter Art halten würden. »Das ist nicht nötig.«
»Nun«, meinte sie zweifelnd, »wenn du es wirklich nicht für nötig hältst... Mir ist nur nicht recht, dass du ihnen allein gegenübertreten musst.«
So sehr er auch grübelte, ihm wollte keine andere junge Frau einfallen, die ihn in eine derartige Höhle der Löwen begleitet hätte. »Julia, du bist...«
»Hunterston! « drang Lady Birlingtons laute Stimme an sein Ohr. »Kommen Sie her. Ich möchte Ihre Gattin begrüßen.« Die Dame war in ein scheußlich grünes Gewand und ein knallgelbes Tuch gehüllt und winkte ihnen herrisch zu.
Einen Seufzer unterdrückend, brachte er sie zu Lady Birlington. Hinter ihrem Sessel stand der leidgeprüfte Edmund und blickte sehnsüchtig zum Spielzimmer.
Lady Birlington deutete mit dem Stock auf Muck. »Das also ist der Junge von der Bücherei, was?«
»Donner und Doria, Tante Maddie! « rief Edmund aus, »wer sollte es denn sonst sein? Es wird doch wohl kaum zwei Gassenjungen mit demselben Gesicht geben, oder? Es sei denn, sie wären Zwillinge, aber selbst dann würde ich darauf wetten, dass sie sich nicht völlig gleichen. Obwohl ich auf einem Jahrmarkt mal Zwillinge gesehen hab, die ...«
»Teufel noch mal, Edmund! Hör auf zu faseln.« Lady Birlington legte die Hände auf ihren Stock und beugte sich vor, bis sie mit der Nase fast an Mucks Gesicht stieß. Der Gassenjunge schob das Kinn vor, und seine Miene verfinsterte sich. Offensichtlich befriedigt, richtete Lady Birlington sich wieder auf. »Was für ein Glück, dass er keine dunklen Haare hat, Hunterston. Soll schließlich keiner denken, er wäre einer Ihrer Bälger.«
»Tante Maddie!« Edmund guckte verzweifelt Julia an. »Tut mir Leid. Sie denkt manchmal nicht, bevor sie redet.«
Julia musterte erst Muck, dann Alec. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand zu so einem Schluss gelangen könnte. Es besteht ja kaum Ähnlichkeit.«
Alec betrachtete das hässliche Kind. Pflichtbewusst erwiderte Muck den Blick. »Was meinst du mit ,kaum‘?«
Julia legte den Kopf schief. »Die Nase ist dieselbe.«
Wenn er nicht gesehen hätte, dass ihr Mund vor unterdrücktem Gelächter zitterte, wäre er vielleicht darauf hereingefallen. »Wenn seine Nase ausschaut wie meine, dann hat
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