Vermaehlung um Mitternacht
„Was Edmund wohl sagen würde, wenn er dich so herumrennen sähe?“
„Nichts, was sich weiterzuerzählen lohnte.“ Er guckte auf sein durchnässtes Hemd hinab. „Du solltest es dir noch einmal überlegen, Julia. Einen derart ungezogenen Straßenjungen kannst du doch nicht zu der Redoute heute Abend mitnehmen.“
Seine Bemerkung ernüchterte sie umgehend. Das war die Gelegenheit, um Alec vorzuführen, wie gut die Dienstbotenvermittlung der Vereinigung funktionieren würde. Sie tätschelte Mucks Schulter und lächelte mit weitaus mehr Zuversicht, als sie empfand. „Du irrst dich. Er wird sich hervorragend machen, wart’s nur ab.“
Alec murmelte irgendetwas vor sich hin.
Julia runzelte die Stirn. „Wie bitte?“
Düster schaute er sie an. „Ich verstehe einfach nicht, warum das notwendig ist.“
„Trotz Lady Birlingtons Bemühungen wird über die Sache mit dem Kaminkehrer immer noch geklatscht.“ Verlegene Röte stieg ihr in die Wangen. „Ich hätte die Beherrschung nicht verlieren dürfen, aber es ist eben passiert.“
Dieses Geständnis schien ihn ein wenig zu besänftigen. „Edmunds Anteil daran ist wohl genauso groß wie deiner. Ich werde nie begreifen, warum er eingewilligt hat, diesen Schurken zu fordern.“
„Lady Birlington glaubt, sie werden alle vor Mitgefühl zerfließen, wenn sie Muck erst einmal zu Gesicht bekommen haben, und dass sich das zu unseren Gunsten auswirken wird.“
„Wollen wir es hoffen.“ Nachdenklich sah er sie an. „Wie aber willst du das hinkriegen?“
Julia lächelte und beugte sich vor. „Muck, der Schneider ist bald da. Weißt du noch, was ich gesagt habe?“
Nach einem Moment der Stille tauchte ein sommersprossiges Gesicht mit Hasenzähnen auf. „Dass ich ’ne Uniform krieg, wie ein Soldat?“
„Genau.“
Muck machte ein finsteres Gesicht. „Der alte Boney hätt vor mir in meiner Uniform ganz schön Muffensausen, was?“ „Bonaparte würde kehrtmachen und davonrennen.“ Julia stieß einen Seufzer aus. „Wie schade, dass du nicht trocken sein wirst, wenn der Schneider kommt. Ich habe mir so gewünscht, dich heute Abend auf die Gesellschaft als meine Garde mitzunehmen.“ Der Junge atmete hörbar ein. „Ich soll Ihre Garde sein?“
„Ja, genau. Du müsstest dich bereithalten, Vorräte holen und so. Genau wie ein richtiger Soldat. Aber jetzt muss ich mir wohl jemand anderen suchen. “
Der Junge schaute zu Alec hin und beäugte misstrauisch die Haarbürste. „Ich tät schon mitkommen, wenn bloß dieser feine Pinkel die Hände von mir lassen würde.“
Alec packte die Haarbürste fester, während Julia ein Kichern zu unterdrücken versuchte. Mit einem wütenden Blick legte er die Bürste weg. „Also dann, du undankbarer Rotzlöffel. Wenn du dich ab jetzt benimmst, verspreche ich dir, dich nicht zu verhauen, so sehr du es auch verdient hast.“
Muck hastete an Alec vorbei, blieb nur kurz stehen, um ihm zu erklären, dass er für einen alten Knacker ganz schön schnell sei, und rannte dann, ohne eine Antwort abzuwarten, munter die Treppe hoch.
Alec guckte Julia ohne Reue an. „Wahrscheinlich meinst du, ich sollte mich geschmeichelt fühlen.“
„O nein. Es ist bestimmt nicht angenehm, für einen alten Knacker gehalten zu werden.“ Unschuldig blinzelte sie ihn an.
Er grinste, was ihn in seinem durchweichten Zustand nur noch attraktiver wirken ließ. So viel Vollkommenheit an Gesicht und Gestalt brachte sie wieder auf Gedanken, die eine vernünftige, tugendsame Dame nicht haben sollte. Julia wurde heiß, als hätte sich die Sommerhitze unter ihr Gewand gestohlen und liebkoste sie auf bloßer Haut.
„Du bist total nass“, platzte sie heraus.
Alec zog eine Augenbraue hoch. „Es ist wirklich eine höchst ärgerliche Angewohnheit von dir, altbekannte Tatsachen zu konstatieren. “
„Das hat mein Vater auch immer gesagt.“
„Vermutlich wäre mir dein Vater sympathisch gewesen.“
Ihr Vater hätte Alec bestimmt auch gemocht. „Er war ein sehr vernünftiger Mann. Ich versuche immer das zu tun, was er gewollt hätte.“
„Zum Beispiel Gassenjungen aufnehmen, die dich draußen über den Haufen rennen?“
Und attraktive Wüstlinge, die ihr gutes Herz unter dem Mantel der Sünde verbergen. „So in der Richtung.“
Ein sanfter Ausdruck trat in seine Augen. „Ich muss zugeben, dass Mucks Anwesenheit den Haushalt ziemlich belebt hat. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, Napoleon hat ihn als Geheimwaffe eingesetzt, um
Weitere Kostenlose Bücher