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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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oder wie aufmerksam man die Dinge im Auge behält, man kann sie nicht kontrollieren. Manchmal verschwinden Dinge eben – und Menschen auch. Einfach so.« Sie legte ihre Hand auf die von Jack. »Zerstören Sie nicht Ihr eigenes Leben, um sie zu finden.«
     
    An der Haustür verabschiedeten sie sich voneinander, und Susan überbrückte das verlegene Schweigen, indem sie sagte: »Da wir gerade davon sprechen – falls Sandy bei Ihnen auftaucht, bevor wir sie sehen, sagen Sie ihr doch bitte, dass wir ihr lila Tagebuch mit den Schmetterlingen gefunden haben. Es lag in ihrem alten Zimmer. Eigentlich seltsam, denn ich hab den Schrank schon hundertmal aufgeräumt, ohne dass es mir je in die Hände gefallen ist«, erklärte sie stirnrunzelnd. »Aber es ist bestimmt wichtig für sie, davon zu erfahren.«
    Dann schaute sie auf und winkte wieder jemandem zu. Als Jack sich umwandte, sah er eine Frau, etwa im gleichen Alter wie Susan. »Das ist Mrs. Butler«, erklärte sie, als sie Jacks fragenden Blick sah. »Ihre Tochter Jenny-May ist mit zehn Jahren verschwunden, sie war genauso alt wie Sandy. So ein liebes Mädchen, alle fanden, sie ist ein Engel.«
    Plötzlich erwachte Jacks Interesse, und er musterte die Frau genauer. »Hat man das Mädchen gefunden?«
    »Nein«, antwortete Susan traurig. »Sie ist nie wieder aufgetaucht.«
    Langsam schlenderte Jack zurück zu seinem Auto. Er fühlte sich seltsam, irgendwie anders, fast so, als hätte er beim Betreten von Sandys Elternhaus eine andere Persönlichkeit angenommen. Nach einer Weile blieb er stehen, sah zum Himmel hinauf und ließ sich alles noch einmal durch den Kopf gehen, was er von Sandys Mutter erfahren hatte. Auf einmal lächelte er. Dann begann er zu weinen, und die Erleichterung überflutete ihn wie ein Wasserfall, der auf ihn herabregnete. Denn zum ersten Mal seit einem ganzen Jahr hatte er das Gefühl, er könnte aufhören zu suchen.
    Und wieder anfangen zu leben.

Zweiundvierzig
    Bobby war nicht in der Stimmung, über die Ereignisse der letzten Nacht zu reden, aber er brauchte auch gar nichts zu erklären, denn selbst ein Blinder hätte ihm angesehen, wie niedergeschlagen er war. Im krassen Gegensatz zu seiner sonstigen witzig-aufgekratzten Art wirkte er, als hätte man die Luft aus einem Ballon abgelassen. Mir brach sein Anblick fast das Herz, und ich musste unwillkürlich an einen Vogel denken, der mit einem gebrochenen Flügel traurig hilflos am Boden liegt. Ein paar Mal hatte ich versucht, das Thema anzusprechen, mit dem Erfolg, dass er sich nur noch schlechter fühlte. Er jammerte nicht, er weinte nicht, aber sein Schweigen sagte mehr als tausend Worte. In diesem Zustand konnte er sich auch nicht um meine Probleme kümmern, und ich würde warten müssen, bis er sich imstande fühlte, mit seinen eigenen umzugehen. Für mich war das eine durchaus vertraute Methode, das Leben zu meistern.
    »Warum lässt du deine Tasche eigentlich immer neben der Tür stehen?« Als wir das Fundbüro betraten, sprach Bobby zum ersten Mal wieder.
    Ich sah in die Richtung, wo meine – beziehungsweise Barbara Langleys – Tasche stand, die ich anscheinend ganz in Gedanken neben der Tür geparkt hatte. Die Erklärung für meine Gewohnheit war einfach: Es ging mir wie dem Cowboy, der sein Pferd direkt neben der Saloontür anbindet, um sich bei Bedarf schnell vom Acker machen zu können. Dadurch hielt ich das klaustrophobische Gefühl in Schach, das sich in den Behausungen und in der Gegenwart von Menschen, bei denen ich mich nicht hundertprozentig wohl fühlte, unweigerlich einstellte. Meine Eltern inbegriffen. Und Gregory. Und meine eigene Wohnung. Bei Licht betrachtet gab es kaum einen Ort, an dem es anders war. Solange ich meine Tasche an der Tür stehen sah, fühlte ich mich einigermaßen sicher, weil ich wusste, dass ich bei Bedarf die Flucht ergreifen konnte. Sie war sozusagen der Beweis dafür, dass mir der Weg in die Freiheit jederzeit offenstand.
    »Aus Gewohnheit«, beantwortete ich Bobbys Frage also achselzuckend. Wie leicht es war, mein kompliziertes Leben und meine persönlichen Marotten auf ein Schulterzucken und ein paar Worte zu reduzieren. Wie inhaltsleer Worte manchmal sein konnten.
    Aber Bobby hatte sowieso keine Lust, mich weiter auszuhorchen, und wir gingen stumm in den Lagerraum, wo meine Kisten standen.
    »Also«, brach ich schließlich das Schweigen und sah Bobby an, der sich umsah, als hätte er sich verirrt und dieses Zimmer nie zuvor gesehen. »Was

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