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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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hat mir aufgetragen, meine Bemühungen fortzusetzen, und mir gesagt, ihr größter Wunsch sei es, dass ich ihre geliebte Tochter finde.«
    »Erzählen Sie mir von ihr«, hauchte Helena kaum hörbar.
    So vergaß ich meine eigenen Sorgen und machte es mir am Lagerfeuer bequem, um Helena von ihrer Mutter zu erzählen.
     
    »Ich wollte damals überhaupt nicht mit zum Campen«, erklärte Helena, und es war ihr anzumerken, wie sehr sie sich über meinen Bericht freute. »Ich hab meine Eltern angebettelt, zu Hause bleiben zu dürfen.«
    Das wusste ich alles, aber ich lauschte ihr aufmerksam, völlig fasziniert, dass ich die Geschichte, die ich so gut kannte, jetzt von einer ihrer Hauptpersonen erzählt bekam. Es war, als würde mein Lieblingsbuch plötzlich auf der Bühne zum Leben erwachen.
    »Ich wollte an diesem Wochenende viel lieber nach Hause fahren. Da war dieser Junge …« Sie lachte und sah mich an. »Es geht doch immer um Jungs, stimmt’s?«
    Obwohl ich das nicht wirklich nachvollziehen konnte, lächelte ich sie an.
    »Ins Haus neben uns war ein neuer Junge eingezogen. Er hieß Samuel James und war das hübscheste Wesen, das ich je gesehen hatte.« Ihre Augen strahlten, als wäre ein Funke vom Feuer übergesprungen. »Ich hab ihn in diesem Sommer kennengelernt, mich in ihn verliebt, und wir hatten eine wundervolle Zeit zusammen. Sündhaft schön.« Sie grinste und hob vielsagend die Augenbrauen. »Seit zwei Monaten war ich wieder im Internat und vermisste ihn schrecklich. Aber so sehr ich auch bettelte und jammerte, meine Eltern ließen mich nicht nach Hause kommen. Sie wollten mich bestrafen«, setzte sie mit einem traurigen Lächeln hinzu, »weil ich in der gleichen Woche dabei erwischt worden war, wie ich in der Geschichtsklausur geschummelt und hinter der Turnhalle geraucht habe. Unakzeptabel, selbst für meine Maßstäbe.«
    Sie hielt inne und warf einen kurzen Blick in die Runde. »Deshalb musste ich mit der Truppe hier wegfahren, als würde ich mich spontan in einen Engel verwandeln, wenn man mich von meinen besten Freunden trennt. Aber wie dem auch sei – letzten Endes war es eine Strafe, die ich meiner Meinung nach wirklich nicht verdient habe.«
    »Natürlich nicht«, antwortete ich voller Verständnis. »Wie sind Sie denn hierhergekommen?«
    Helena seufzte. »Wir wollten eine Zigarette rauchen – sogar Joan und Bernard«, fügte sie lachend hinzu. »Damit die Lehrer die brennenden Zigaretten nicht sehen und den Rauch nicht riechen konnten, haben wir uns ein Stück vom Camp weggeschlichen. Eigentlich sind wir gar nicht weit gegangen, nur ein paar Minuten – aber dann waren wir auf einmal hier.« Sie zuckte die Achseln. »Besser kann ich es nicht erklären.«
    »Sie haben doch bestimmt alle einen Riesenschrecken gekriegt.«
    »Genau wie Sie vermutlich.« Sie sah mich nachdenklich an. »Wenigstens waren wir nicht allein, sonst wäre es für mich wesentlich schlimmer gewesen.«
    Sie wollte mich ganz subtil zum Reden bringen, aber das liegt nicht in meiner Natur. Ich schütte niemandem so schnell mein Herz aus. Höchstens Gregory.
    »Sie können doch noch nicht mal auf der Welt gewesen sein, als wir verschwunden sind. Wie kommt es, dass Sie trotzdem so viel über uns wissen?«
    »Ich war ein sehr wissbegieriges Kind, könnte man sagen.«
    »Allerdings.« Wieder musterte sie mich, und ich sah weg, weil ich mich durch ihren Blick bedrängt fühlte. »Wissen Sie auch, was mit den Familien der anderen passiert ist?«, erkundigte sie sich mit einer Kopfbewegung zum Rest der Gruppe.
    »Ja.« Ich blickte in die Runde und erkannte in jedem Einzelnen die Gesichter seiner Eltern wieder. »Das hab ich mir zur Aufgabe gemacht. Jedes Jahr habe ich mich über die Entwicklungen in der jeweiligen Familie informiert, weil ich wissen wollte, ob jemand wieder aufgetaucht war.«
    »Nun, ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir geholfen haben, mich jetzt einen Schritt näher an zu Hause zu fühlen.«
    Wir schwiegen, Helena ohne Zweifel in Erinnerungen versunken. Schließlich sagte sie: »Meine Großmutter war eine stolze Frau, Sandy. Sie hat meinen Großvater mit achtzehn Jahren geheiratet, und sie hatten sechs Kinder zusammen. Ihre jüngere Schwester, die irgendwie keinen Mann fand, ließ sich auf eine mysteriöse Affäre mit einem Mann ein, dessen Identität sie nie preisgeben wollte, und dann bekam sie zum großen Entsetzen ihrer gesamten Umgebung einen kleinen Jungen.« Helena kicherte leise. »Dass das Kind meinem

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