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Vermiss mein nicht

Vermiss mein nicht

Titel: Vermiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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uns noch genau dort befanden, wo wir uns vor drei Jahren getrennt hatten, unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Oder vielleicht dorthin, wo Gregory sich durch rasierklingenscharfes Gras kämpfen musste. Ich war Scathach, so extrem wie eh und je. Genau genommen war ich in den vergangenen Jahren sogar noch schlimmer geworden.
    Trotzdem nahm ich die Uhr nie ab, ich trug sie Tag für Tag. Gelegentlich fiel sie herunter, aber wir haben alle unsere schlechten Momente. Dann befestigte ich sie wieder an meinem Handgelenk – dort gehörte sie hin, das fühlte ich. Die Uhr war ein Symbol für sehr viele Dinge.
    Das Positive an unserem gemeinsamen Essen war, dass es uns erneut unsere Verbundenheit vor Augen führte. Es war, als gäbe es zwischen uns eine unsichtbare Nabelschnur, die es uns erlaubte, voneinander zu zehren, zu wachsen und einander Lebenskraft zu geben.
    Aber es gab eben auch die Kehrseite der Medaille: An dieser Nabelschnur konnten wir rücksichtslos ziehen, wir konnten sie verdrehen und verknoten und uns nicht darum kümmern, dass dieses Verdrehen und Verknoten auch dem jeweils anderen langsam, aber sicher die Luft abschnitt.
    Aus der Ferne war alles wunderbar, aber in der Nähe sah es ganz anders aus. Wir konnten uns nicht gegen die Zeit wehren, die uns unbarmherzig veränderte, die mit jedem Jahr, das verging, eine weitere Lackschicht auftrug und unserer Persönlichkeit Tag für Tag eine Nuance hinzufügte – oder wegnahm. Und leider ließ sich nicht leugnen, dass ich nicht nur nicht mehr die Gleiche war wie früher, sondern viel, viel weniger.

Zweiunddreißig
    Bobby schloss die Ladentür ganz leise hinter uns, als wollte er um jeden Preis vermeiden, dass die Standbesitzer draußen etwas davon mitkriegten, und zerrte mich hinter sich her. Ich überlegte, ob dieses Verhalten zu seiner typischen Clownerei gehörte, aber irgendwie spürte ich, dass es nicht so war, was mich in milde Panik versetzte. Schließlich ließ er meine verschwitzte Hand los, hastete ohne ein Wort der Erklärung in den Nebenraum und zog die Tür zu. Durch den Schlitz konnte ich nur sehen, wie sich sein Schatten hin und her bewegte. Anscheinend suchte er etwas: Ich hörte, wie er Kisten herumschob, Möbelstücke rückte, mit Gläsern hantierte. Jedes Geräusch ließ in meinem misstrauischen Kopf eine neue Verschwörungstheorie entstehen, aber schließlich schaffte ich es doch, mich loszureißen und mich ein wenig in dem Raum umzuschauen, in dem er mich hatte stehenlassen.
    Ich war umgeben von Regalen, die wie in den alten Lebensmittellädchen aus dem letzten Jahrhundert bis zur Decke hinaufreichten. Darauf standen vollgestopfte Körbe mit allen möglichen Kleinigkeiten: Klebeband, Handschuhe, Stifte, Marker und Feuerzeuge. Es gab auch Körbe mit Socken, und an ihnen hing ein handgeschriebenes Schild, auf dem ausdrücklich der Verkauf von zusammenpassenden
Paaren
anpriesen wurde. In der Mitte des Raums standen Dutzende von Kleiderständern, getrennt nach Frauen- und Männersachen, Stil und Zeit – 1950, 1960, 1970 und so weiter. Es gab Kostüme, traditionelle Kleidung und Brautkleider (unwillkürlich fragte ich mich, wie um Himmels willen ein Brautkleid verloren gehen konnte), an der anderen Wand eine Büchersammlung und davor eine Theke mit Schmuck. Ohrringverschlüsse, einzelne Ohrringe, annähernd zusammenpassende Paare.
    Es roch muffig, denn die Gegenstände waren ja allesamt gebraucht und hatten ihre eigene Geschichte. Wie das oft in Secondhandläden der Fall ist, herrschte auch hier eine ganz andere Atmosphäre als in einem Geschäft mit neuen Sachen, die ahnungslos darauf warten, ihre ersten Erfahrungen in der großen weiten Welt machen zu dürfen. Hier gab es keine ungelesenen Bücher, keine ungetragenen Hüte, keine unberührten Stifte. Mancher Handschuh hatte an der Hand seines Besitzers die Nähe einer geliebten Person gespürt, jeder Schuh eine gewisse Entfernung zurückgelegt, Schals hatten sich an Hälse gekuschelt, Schirme ihre Besitzer vor unerwarteten Regengüssen geschützt. Diese Dinge kannten ihre Bestimmung, sie wussten, was sie zu tun hatten, sie besaßen Lebenserfahrung, und jetzt ruhten sie in diesen Körben, lagen säuberlich zusammengefaltet auf den Regalen oder hingen an den Kleiderstangen, bereit, ihre neuen Besitzer an ihrem Wissensschatz teilhaben zu lassen. Wie die meisten Menschen, die hier wohnten, hatten auch diese Dinge vom Leben gekostet, und wie die meisten der Menschen hier warteten auch

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