Vermisst: Thriller (German Edition)
Hafenpolizei?«, fragte ich Lily.
»Lassen Sie mich das erledigen«, sagte Farelli. »Ich gehöre nicht zur Polizei, aber das hier fällt in meine Zuständigkeit.«
Ich gab das weiter. »Geben Sie uns aber ein bisschen Zeit«, erwiderte Lily. »Wenn die Polizei zu früh eingreift, könnte das Rio Sanger vertreiben.«
»Haben Sie das gehört, Mr. Farelli?«
»Verstanden.«
Der Pick-up beschleunigte und verschwand in der Ausfahrt, die auch der Mercedes genommen hatte. Wie unter Zwang schaute ich auf die Uhr. Sechsundfünfzig Minuten, und die Zeit lief weiter.
Kurz hinter der Brücke erreichten wir eine Einfahrt zum Hafen. Güterzüge rumpelten zu den Containerterminals, Sattelschlepper kamen und gingen. Ein besonders langer Sattelzug manövrierte langsam zwischen leuchtend gelben Pollern hindurch.
»Strahlungssensoren«, erklärte Lily, die meinem Blick gefolgt war.
Die Straße mündete in eine endlose asphaltierte Fläche, über der niedrige Wolken hingen. Mir wurde angst und bange beim Anblick der Container, von denen teilweise bis zu sieben aufeinandergestapelt waren. Kräne, Lkws, Züge, Schiffe und Gabelstapler verursachten einen solchen Lärm, dass niemand hören würde, wenn sich hier jemand die Seele aus dem Leib schrie.
Vor uns bremste der Pick-up an einem Tor in einem Maschendrahtzaun. Farelli sprang aus dem Auto und verschwand in dem hölzernen Wachhäuschen mit der Aufschrift »Pacific Gateway Freight Company« daneben. Wir postierten uns neben dem Pick-up.
Jesse deutete auf einen Containerstapel etwa zweihundert Meter hinter dem Zaun. »Rio Sanger hat kurz mit dem Wachmann geredet und ist dann zu diesem Stapel gefahren. Zwischen den Reihen gibt es eine Gasse, dort ist sie rein.«
»Was treibt Farelli?«
»Er erklärt dem Wachmann, wohin er die Hafenpolizei schicken soll.«
Lily gab Gas. »Wir fahren vor.«
Das Sonnenlicht färbte die Pfützen orange. Über uns kreisten Seemöwen, und durch das offene Fenster drang der Geruch von Salzwasser und Dieselabgasen.
Der Stapel war etwa vierhundert Meter breit, achthundert Meter lang und siebzehn Meter hoch. Unbemannte Kräne fuhren auf Gleisen mitten hindurch, griffen nach den Containern, von denen jeder dreizehn Meter lang war und an die zwanzig Tonnen wog, und hoben sie mit spielerischer Leichtigkeit zwanzig Meter hoch in die Luft. Dann setzten sie die Container auf der anderen Seite des Stapels auf einem breiten Asphaltstreifen ab. Dort wurden sie von riesigen Gabelstaplern abgeholt und direkt an die Kais gebracht.
»Rio muss eine Trackingnummer für den Container haben«, stellte ich fest.
»Bestimmt. Vermutlich wickelt Pacific Gateway regelmäßig Transporte für sie ab.«
»Glaubst du auch, sie hat Dad in einen Container gesteckt, in dem sie sonst Frauen in die USA schmuggelt?«
»Und irgendjemand dafür bezahlt, dass ihre Fracht unbehelligt bleibt.«
Wir fanden die Gasse, von der Jesse gesprochen hatte, und tuckerten etwa hundert Meter weit hinein. Dann blieb Lily stehen und stellte den Motor ab. Ich griff mir meinen Rucksack und wollte aussteigen, aber Lily legte mir die Hand auf den Arm.
»Farelli fordert Verstärkung an«, sagte sie. »Lass uns warten.«
»Dazu bleibt keine Zeit. Mein Vater könnte dehydriert oder verletzt sein, und wenn Rio …« Mir brach die Stimme. Ich löste mich aus ihrem Griff. »Du bist doch bewaffnet? Dann komm mit.«
Ich sprang aus dem Auto und lief die Gasse hinunter. Hinter mir hörte ich Lily vor sich hinschimpfen, aber sie folgte mir. Wir waren mutterseelenallein. Ich kam mir vor wie auf einer zwielichtigen Seitenstraße im belebten Zentrum einer Großstadt. Als ich um eine Ecke biegen wollte, riss Lily mich zurück. Sie hatte ihre Marke am Gürtel befestigt und ihr Holster geöffnet, zögerte allerdings noch. Von Jesse oder der Hafenpolizei war nach wie vor nichts zu entdecken.
»Farelli kommt nicht«, sagte ich. »Worauf warten wir?«
»Ich bin hier nicht zuständig. Außerhalb von Santa Barbara County darf ich niemanden festnehmen.«
»Und was war mit mir?«
»Da lag ein Haftbefehl vor, und die örtlichen Behörden hatten ihr Einverständnis signalisiert.«
»Einen Haftbefehl wirst du dir für Rio Sanger kaum rechtzeitig besorgen können.«
Sie presste die Lippen zusammen. »Du bist vielleicht eine Nervensäge.«
»Weil uns die Zeit wegläuft.« Ich raufte mir das Haar. »Das sind außergewöhnliche Umstände. Komm schon, Rodriguez. Hier ist eindeutig Gefahr im Verzug. Lass dir was
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