Vermisst: Thriller (German Edition)
Wertpapiere sind. Ohne Code kein Geld.«
Hoffentlich hatte sie jetzt begriffen.
»Das Geld«, wiederholte ich, »das Jax Rivera mit ihren Erpressungen verdient hat.«
Jesse nickte mir ermutigend zu. Ich improvisierte wild, aber er schien mit mir zufrieden.
»Hören Sie, mir ist klar, dass Sie meinen Vater sterben lassen wollten. Sie wollten das Riverbend-Dossier, aber ohne Gegenleistung. Das wird leider nicht hinhauen.«
»Sie haben wohl nicht kapiert, wer hier die Strippen zieht.«
»Dann ziehen Sie doch endlich. Der letzte Teil des Rätsels ist ein Type-One-Dechiffriercode. Und den kann ich Ihnen nicht liefern, weil mein Vater ihn hat.«
»Was?«
»Der Dechiffriercode besteht aus zwei Zahlen – einem Algorithmus und einem Zeitstempel. Mein Vater trägt einen Ring der Marineakademie, auf dessen Innenseite der Algorithmus eingraviert ist. Den Zeitstempel kennt nur er«, fabulierte ich. »Das heißt, an die Zahlen kommen Sie nur über ihn. Sofern er noch am Leben ist.«
Wieder folgte ein langes Schweigen. »Sie lügen!« Allmählich wurde sie wütend.
»Oh nein.«
»Beweisen Sie es mir.«
»Für solche Spielchen haben wir keine Zeit.« Ich stieß einen entnervten Seufzer aus. »Sie wissen, dass ich das Dossier habe. Hank Sanger hat Jax Rivera angeschossen und wurde dann selbst von meinem Vater erschossen, so viel ist klar. Hank und Jax hatten eine Tochter, die in England aufs Internat geht. Jax hat sämtliche Informationen verschlüsselt, sodass niemand ohne ihr Einverständnis darauf zugreifen kann. Mein Vater ist außer ihr der einzige Mensch, der den Dechiffriercode kennt, weil er an der Operation Riverbend beteiligt war.«
Sie sagte gar nichts. Ich konnte nur hoffen, dass sie ihre Pläne noch einmal überdachte.
»Sie kriegen von mir das Dossier.« Die Verzweiflung in meiner Stimme war nicht einmal gespielt.
»Sagen Sie mir, wo ich es hinbringen soll. Schauen Sie sich die Videos selbst an. Mein Vater trägt den Ring ständig. Seinen Ehering hat er nach der Scheidung von meiner Mutter weggeworfen, aber den Ring der Akademie wird er mit ins Grab nehmen.«
Ich schritt langsam auf den Ausgang zu. Mein Herz raste wie verrückt. Sie musste mir diese Geschichte einfach abnehmen. Es war meine letzte Hoffnung.
»Wo können wir uns treffen?«, fragte ich.
»Nirgends. Sie hinterlegen das Dossier an einem von mir bezeichneten Ort.«
Jesse neben mir beobachtete mein Gesicht.
»Wer garantiert mir, dass Sie meinen Vater freilassen, wenn ich Ihnen das Dossier aushändige?«
»Niemand. Tun Sie, was ich Ihnen sagen. Ihnen bleibt keine Wahl.«
Vor uns öffneten sich die Glastüren zur Straße. Hinter Jesses Pick-up parkte ein Streifenwagen, an dem eine grimmig dreinblickende Lily Rodriguez lehnte. Als sie uns entdeckte, marschierte sie von zwei uniformierten Beamten flankiert auf uns zu.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und fluchte leise.
»Was ist jetzt schon wieder los?«, fragte Rio Sanger scharf.
Ich wich zurück. »Jesse …«
»Bleib stehen.« Er legte mir die Hand auf den Arm. »Bloß kein Fluchtversuch.«
Kopfschüttelnd musterte Lily mein brünettes Haar und die elegante, aber angeschmuddelte Kleidung. Dann zückte sie ihren Sheriffstern.
»Hören Sie«, sagte ich ins Telefon. »Das Dossier ist bei Crescendo Limited in Century City deponiert. Schließfach drei fünf sieben.« Damit drückte ich Jesse das Mobiltelefon in die Hand.
Lily zückte ihre Handschellen. »Kathleen Evan Delaney? Sie sind verhaftet.«
34. Kapitel
Lily legte mir die Hand auf den Kopf, als sie mich auf den Rücksitz des Streifenwagens bugsierte, damit ich mich nicht anstieß. Wir hatten großes Publikum: Neben den Passanten genossen vermutlich Tausende von Büroangestellten in den Hochhäusern um uns herum die Abwechslung. Lily kettete mich an einen Ring am Boden des Fahrzeugs, schlug die Tür zu und drehte sich um, um den Polizeibeamten die Hand zu schütteln.
»Vielen Dank, dass Sie die Verhaftung mir überlassen haben. Und danke für die Unterstützung.« Dann warf sie Jesse einen Blick zu. »Du weißt, wo du sie findest.«
Ich starrte ihn nur an. Mein Mund war wie ausgedörrt. Er sagte gar nichts. Jede Diskussion mit Lily war sinnlos. An Flucht war nicht zu denken, und kein Richter der Welt würde mich auf Kaution freilassen.
Sie setzte sich ans Steuer und fuhr los. Dann warf sie mir im Rückspiegel einen Blick zu. »Du siehst aus wie ein echter Desperado. Reality-TV: Delaney auf der Flucht.«
Am
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