Vermisst: Thriller (German Edition)
die Kassiererin freundlich lächelnd meine Einkäufe ein, wobei sie in erster Linie darauf achtete, ihre blutrot lackierten Nägel nicht zu beschädigen. Ich spähte auf die Uhr: noch vier Minuten. Wollte ich die hauseigene Kreditkarte erwerben? Nein, wollte ich nicht. Hatte ich den neuen Katalog schon? Sollte sie meine Einkäufe als Geschenk verpacken? Dann fing sie an, jeden Artikel einzeln in Seidenpapier zu wickeln, als wäre das Teil einer japanischen Teezeremonie. Ich öffnete die Tasche, ließ sie alles hineinbetten, knallte dann mein Bargeld auf die Theke und entschwand in Richtung Avenue of the Stars. Besonders präsentabel wirkte ich immer noch nicht, aber mehr war im Augenblick nicht zu machen.
Weiterhin um ein gemächliches Tempo bemüht, steuerte ich auf das Century Plaza Hotel auf der anderen Straßenseite zu. In der geschwungenen Einfahrt parkten jede Menge Porsches und Mercedes, bloß Tims roten Geländewagen konnte ich nirgends entdecken. Hatte ich ihn verpasst? Ich lief über die Straße und an Hotelgästen vorbei, deren Parfüm wahrscheinlich mehr kostete als meine Hypothekentilgung. Dann entdeckte ich Tim hinter dem Steuer eines blauen Volvo-Kombis. Mit aschfahlem Gesicht quälte er sich aus dem Auto, wobei er offenkundig versuchte, die verletzte Seite zu schonen.
»Du fährst«, murmelte er.
Ich warf meine Sachen auf den Rücksitz, sprang auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Im Beifahrerspiegel beobachtete ich, wie Tim sich mit der Hand am Auto abstützte und sich mühsam zur Tür vorarbeitete.
Wir erregten Aufsehen. Eine dürre Blondine, die hinter ihm die Einfahrt hinaufstakste, nahm ihre Sonnenbrille ab und glotzte ihn an. Sie hatte große Augen und einen kleinen Mund mit vollen Lippen. Ihre Bluse gewährte praktisch freien Blick auf die jungenhaften Brüste.
Sie stand viel zu dicht hinter Tim, der die Tür inzwischen geöffnet hatte. Als sie den Arm hob, drehte er sich um und versuchte, sie mit dem Ellbogen abzuwehren, doch sie traf ihn in den Nacken. Instinktiv fasste er nach der Stelle. Dann brach er zusammen.
11. Kapitel
Tim stolperte gegen den Wagen und sank zu Boden. Als ich schon nach ihm greifen wollte, bemerkte ich plötzlich den glänzenden Gegenstand in der Handfläche der Unbekannten, die mich durch die offene Beifahrertür mit unnatürlich glänzenden Augen anstarrte. Meine Verwirrung wich nackter Angst.
Mit einem Mal stürzte sie sich auf meinen Hals. Ich riss die Arme hoch, aber sie war schon über mir. Ein stechender Geruch nach Parfüm, getrocknetem Schweiß und Sex stieg mir in die Nase. Ich holte aus, aber in dem engen Raum konnte ich keinen Treffer landen. Ihre Hände griffen nach mir. Die Arme unter der dünnen Bluse waren sehnig wie Trockenfleisch.
Verzweifelt tastete ich nach dem Türgriff in meinem Rücken.
Die Leute starrten uns an, aber niemand kam mir zu Hilfe. Schließlich zog ich die Knie an, während ich weiter nach dem Türgriff tastete.
Hinter der Unbekannten hatte sich Tim wieder aufgerappelt und packte sie jetzt am Knöchel. Dabei fiel ihr Blick auf den USB-Stick. Geschmeidig wie ein Aal zupfte sie mir die Kette vom Hals, und das Medaillon fiel auf die Konsole zwischen den Sitzen.
Dann hatte Tim sie aus dem Auto gezerrt. Sie fuhr herum, stürzte sich auf ihn und biss ihn in die Backe. Brüllend vor Schmerz drückte er die Hand auf die blutende Wunde und sank gegen das Auto.
Die Frau drehte sich um und starrte auf das Medaillon. Dann grinste sie mich an. »Die kann dir auch nicht helfen«, sagte sie mit blutigen Zähnen.
Im nächsten Moment war sie verschwunden. Ich kletterte aus dem Auto, aber als ich auf der Beifahrerseite angekommen war, saß Tim schon auf dem Sitz. Ich griff nach dem Medaillon.
»Alles in Ordnung?«, fragte ein Passant, ein wenig spät. »Was ist passiert?«
»Fahr los«, befahl Tim.
Ich sprang wieder ins Auto und raste davon. Der Wagen schlenkerte bedrohlich, als ich versuchte, einen Blick auf Tim zu erhaschen. »Womit hat sie dich gestochen?«
»Weiß ich nicht genau. Die volle Ladung habe ich jedenfalls nicht abgekriegt.« Er griff nach meinem Arm. »Tu das nie wieder.«
»Was?«
»Du hast unnötig einen Vorteil verschenkt. Du hättest wegfahren sollen, bevor sie einsteigen konnte.«
Ich lief rot an. »Und dich zurücklassen?«
»Ja.« Er sackte gegen die Tür. »Mitleid bringt dich nicht weiter. Nur das Ziel zählt.«
Nun erst merkte ich, in welchem Zustand er war. Doch für Gefühle war
Weitere Kostenlose Bücher