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Verneig dich vor dem Tod

Verneig dich vor dem Tod

Titel: Verneig dich vor dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gewann seine lockere Haltung zurück.
    »Und das war vor einem Jahr?«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Wann hast du Gélgeis davor zum letztenmal gesehen?«
    »Zwei Tage, bevor sie starb«, antwortete Aldhere.
    »Zwei Tage?« forschte Fidelma. »Bist du absolut sicher?«
    Aldhere lächelte. »Absolut sicher.«
    »Hattest du eine Affäre mit der Frau deines Bruders?« fragte Fidelma unvermittelt.
    »Eine Affäre? Nicht so richtig«, kam die zögernde Antwort.
    Fidelma lächelte zweifelnd. »Wie würdest du dein Verhältnis zur Frau deines Bruders dann beschreiben? Ich bin gespannt, welches Verhältnis als eine nicht so richtige Affäre bezeichnet werden kann.«
    Aldhere sah einen Moment verlegen aus. Er merkte, daß Fidelma sich über ihn lustig machte.
    »Ich war der Freund, den sie brauchte, dem sie ihre Ängste und Befürchtungen gestehen konnte. Sonst war weiter nichts dabei.«
    »Nehmen wir das an«, stimmte ihm Fidelma zu. »Du sagst, du hattest eine Verabredung mit ihr zwei Tage, bevor sie starb?«
    »Wir hatten vereinbart, uns zu treffen – ja. Wir trafen uns im Wald am Fluß nahe der Abtei. Wir gingen spazieren, und sie erzählte mir, wie schlimm das Verhältnis zu Cild gewordenwar. Sie hatte Verbindung mit ihrer Familie aufgenommen durch die Vermittlung eines Mönchs namens Pol. Cild hatte das herausbekommen, war in Wut geraten und hatte Pol kurzerhand aufhängen lassen. Als Begründung gab er an, Pol wäre ein Ketzer. Gélgeis sagte, sie hätte Angst, und bat mich, für sie einen Kontakt zu den Mönchen der Columban-Regel herzustellen, mit deren Unterstützung sie vielleicht zum Sitz ihres Vaters zurückkehren könnte.«
    »Was hast du ihr geantwortet?«
    »Ich sagte, ich würde mein Möglichstes tun, um ihr zu helfen.«
    »Und dann?«
    »Dann verließ sie mich.«
    »Nachdem du das alles von ihr gehört hattest, ließest du sie in die Abtei zurückgehen?« fragte Eadulf ungläubig.
    »Es war ihre Entscheidung«, verteidigte sich Aldhere. »Sie hätte auf der Stelle mit mir mitkommen können, und dann hätte ich sie auch beschützt, aber …« Er zuckte die Achseln.
    »Wann hast du erfahren, daß sie tot war?« fragte Fidelma.
    »Die Nachricht kam einen Tag, nachdem sie sich im Moor verirrt hatte.«
    »Führte ihr Weg zu dir durch das Moor? Durch diese Stelle, die Hob’s Mire genannt wird?«
    »Eigentlich nicht. Wenn sie mich sehen wollte, trafen wir uns gewöhnlich in dem Wäldchen nahe der Abtei. Ich weiß, was du denkst. Sie kannte das Moor.«
    »Kannte sie es gut?«
    Aldhere sah sie forschend an.
    »Ich würde sagen, sie kannte es sehr gut«, sagte er schließlich.
    »Wußte sie, wie gefährlich Hob’s Mire ist?«
    »Das wissen die meisten Leute. Es ist berüchtigt.« Er zögerte und schien zu ahnen, daß sie eine genauere Antwort erwartete, denn er fügte hinzu: »Ja, sie wußte davon.«
    »Weshalb nimmst du also an, daß sie von dem bekannten und sicheren Weg abwich und durchs Moor ging?«
    »Das nehme ich nicht an, und ich weiß, was du andeuten willst.«
    »Andeuten? Ich suche nur die Antworten auf bestimmte Fragen. Ich finde es einfach seltsam, daß sie zwar die Gefahren des Moors gekannt, aber bei dieser einen Gelegenheit einen anderen Weg genommen und sie geradezu gesucht haben soll.«
    Aldhere schwieg.
    »Hast du nicht versucht, Genaueres zu erfahren, als du von ihrem Tod hörtest?« fragte Fidelma.
    »Sie war tot. Warum mußte ich wissen, aus welchem Grunde sie sich ins Moor verirrt hatte?«
    »Um festzustellen, ob ihr jemand dabei geholfen hat, sich im Moor zu verirren.«
    Aldhere schwieg eine Weile, bevor er antwortete.
    »Der Gedanke kam mir erst Monate danach, als es zu spät war. Ich habe dann kaum noch daran gedacht bis neulich, als der heilige
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hier aus dem Moor herauswanderte und vor dem Überfall der Ost-Sachsen gerettet werden mußte. Er erzählte mir, daß Gélgeis’ Vater und Bruder hergekommen sind, in dem vergeblichen Versuch, Cild zu zwingen, den Mord an ihr zu gestehen.
    Ich habe ihm gesagt, und ich sage es heute zu dir, Schwester, daß das aussichtslos ist. Nur Cilds Gewissen könnte ihn zwingen, seine Schuld zu bekennen – wenn er dennschuldig ist –, und Tatsache ist, daß mein Bruder kein Gewissen besitzt. Also besteht kaum Hoffnung, auf diesem Wege etwas zu erreichen.«
    Fidelma seufzte leise. »Gerüchte, Vermutungen – ich habe noch nicht eine handfeste Tatsache, um die Tragödie abzuwenden, die uns bald ereilen wird.« Plötzlich sah sie Aldhere fest in die Augen.

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