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Veronica beschließt zu sterben

Veronica beschließt zu sterben

Titel: Veronica beschließt zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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war jetzt ein anderes Leuchten, als verstünde er etwas, auch wenn er möglicherweise nur die Energie, den Schweiß, den Geruch, die
Hitze wahrnahm, die ihr Körper ausstrahlte. Veronika war
noch nicht befriedigt. Sie kniete nieder und begann sich
wieder selbst zu befriedigen.
    Sie wollte sterben, während sie der bis heute verbotenen
Lust frönte: Sie flehte den Mann an, sie zu berühren, sie zu
unterwerfen, sie zu allem zu benutzten, wozu er Lust hatte.
Wollte, daß auch Zedka da wäre, weil eine Frau besser als
jeder Mann weiß, wie sie den Körper einer anderen Frau berühren mußte, da sie all dessen Geheimnisse kannte.
    Sie kniete vor Eduard nieder. Ihr war, als würde er sie besitzen und berühren, und sie gebrauchte obszöne Worte, um
zu beschreiben, was sie von ihm wollte. Ein neuer Orgasmus
kam, stärker als der letzte, als würde alles um sie herum
gleich explodieren. Sie erinnerte sich an den Herzanfall, den
sie am Morgen gehabt hatte, doch das war jetzt unwichtig,
sie würde voller Lust sterben, explodieren. Sie fühlte sich
versucht, Eduards Geschlecht zu packen, das sich direkt vor
ihrem Gesicht befand, doch sie wollte nicht Gefahr laufen,
diesen Augenblick zu zerstören. Sie ging weit, viel weiter,
genau wie Mari gesagt hatte.
    Sie stellte sich vor, Königin und Sklavin zu sein, Beherrscherin und Beherrschte. In ihrer Phantasie machte sie Liebe
mit Weißen, Schwarzen, Gelben, Homosexuellen, Bettlern.
Sie gehörte allen, und alle konnten alles mit ihr machen. Sie
hatte nacheinander einen, zwei, drei Orgasmen. Sie phantasierte sich, was sie sich nie zuvor vorgestellt hatte - und gab
sich dem Gemeinsten und Reinsten hin, das es gab. Am
Ende konnte sie sich nicht mehr beherrschen und schrie laut,
vor Lust, vor Schmerz, wegen der aufeinanderfolgenden
Orgasmen, wegen der vielen Männer und Frauen, die ihren
Körper besessen hatten, indem sie sich ihres Geistes
bemächtigten.
    Dann legte sie sich auf den Boden und blieb dort schweißbedeckt, friedlich liegen. Sie hatte ihre innersten Wünsche
vor sich selbst verborgen, ohne zu wissen, wieso. Und sie
brauchte keine Antwort. Es reichte, daß sie getan hatte, was
sie tat: sich hinzugeben.
Ganz allmählich kehrte das Universum an seinen Platz zurück, und Veronika erhob sich. Eduard hatte die ganze Zeit
reglos dagestanden, doch etwas schien sich in ihm verändert zu
haben: Seine Blicke zeigten Zärtlichkeit, eine sehr irdische
Zärtlichkeit.
    >Es war so gut, daß ich jetzt überall Liebe entdecken
kann. Sogar in den Augen eines Schizophrenen.<
Sie zog ihre Kleider wieder an und bemerkte, daß noch
jemand im Raum war: Mari.
Veronika wußte nicht, wann sie hereingekommen war
oder ob sie etwas gesehen hatte, doch sie fühlte weder Scham
noch Angst. Sie blickte sie nur mit der gleichen Distanz an,
mit der man einen Menschen ansieht, der einem zu nahe getreten ist.
»Ich habe gemacht, was du mir vorgeschlagen hast«, sagte
Veronika, »und ich bin sehr weit gekommen.«
Mari schwieg. Sie hatte gerade sehr wichtige Augenblicke
in ihrem Leben Revue passieren lassen und fühlte sich nicht
recht wohl. Vielleicht war der Augenblick gekommen, in die
Welt zurückzukehren, sich den Dingen draußen zu stellen,
zu sagen, daß alle Mitglieder einer großen >Bruderschaft<
sein könnten, ohne je eine psychiatrische Anstalt von innen
gesehen zu haben.
Wie diese junge Frau beispielsweise, deren einziger
Grund, in Villete zu sein, ein Selbstmordversuch war. Sie
hatte nie Panik erlebt, Depressionen, mystische Visionen,
Psychosen, die Grenzen, an die der menschliche Geist stoßen
kann. Obwohl sie viele Männer gehabt hatte, hatte sie ihre
geheimsten Wünsche nie ausgelebt - mit dem Ergebnis, daß
ihr ein Großteil ihrer selbst verborgen geblieben war.
Ach, könnten doch alle Menschen ihre innere Verrücktheit
kennenlernen und mit ihr leben! Wäre die Welt deswegen
schlechter? Nein, die Menschen wären gerechter und glücklicher.
»Warum habe ich das nicht vorher gemacht?«
»Er möchte, daß du ihm noch mehr vorspielst«, sagte
Mari und sah Eduard dabei an. »Ich glaube, er hat es verdient.«
»Gleich. Doch sag mir: Warum habe ich dies noch nie gemacht? Wenn ich frei bin, wenn ich alles denken darf, was
ich möchte, warum habe ich es immer vermieden, mir Verbotenes vorzustellen?«
»Verbotenes? Hör mal, ich war Anwältin und kenne die
Gesetze. Ich war auch einmal katholisch und kannte einen
Großteil der Bibel auswendig. Was verstehst du unter

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