Veronica beschließt zu sterben
wieder nichts verlor sie die Beherrschung, fing an zu schreien und dann hysterisch zu
weinen.
Nach einem Monat erschien Maris Partner bei ihr zu
Hause. Er hatte jeden Tag angerufen, doch sie war nicht ans
Telefon gegangen oder hatte ihren Mann ausrichten lassen,
sie sei beschäftigt. An jenem Nachmittag klingelte er einfach so lange an der Haustür, bis sie die Tür öffnete.
Mari hatte einen ruhigen Vormittag verlebt. Sie servierte
Tee, sie unterhielten sich über das Büro, und er fragte sie,
wann sie wieder zur Arbeit käme.
»Nie wieder.«
Er erinnerte sich an das Gespräch über El Salvador.
»Sie haben immer ihr Bestes gegeben und haben das
Recht, selbst zu entscheiden, was Sie tun wollen«, sagte er
ohne den geringsten Vorwurf in der Stimme. »Doch vergessen Sie nicht, daß in solchen Fällen die Arbeit die beste
Therapie ist. Reisen Sie, lernen Sie die Welt kennen, tun Sie,
was Ihnen sinnvoll erscheint, aber die Türen der Kanzlei
stehen Ihnen immer offen, wir warten auf Sie.«
Als sie dies hörte, brach Mari in Tränen aus, wie es ihr
jetzt oft passierte.
Der Partner wartete, bis sie sich beruhigt hatte. Als guter
Anwalt stellte er keine Fragen. Er wußte, daß er so eher eine
Anwort bekommen würde.
Und so war es auch. Mari erzählte ihm die Geschichte
von dem Ereignis im Kino bis zu ihren jüngsten hysterischen Ausfällen gegen ihren Mann, der sie so sehr unterstützte.
»Ich bin verrückt«, sagte sie.
»Das ist möglich«, antwortete er milde wie jemand, dem
man alles sagen kann. »Sie haben die Wahl: Entweder Sie
lassen sich behandeln oder Sie bleiben weiter krank.«
»Für das, was ich fühle, gibt es keine Behandlung. Ich bin
noch immer im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, aber ich
mache mir Sorgen, weil das Ganze nun schon zu lange andauert. Die klassischen Symptome von Verrücktheit - wie
Realitätsverlust, Desinteresse, unkontrollierte Aggressivität -
habe ich allerdings nicht. Nur Angst.«
»Das sagen alle Verrückten: daß sie normal sind.«
Die beiden lachten, und sie kochte noch etwas Tee. Sie
redeten über das Wetter, die Unabhängigkeit Sloweniens,
die Spannungen, die es jetzt zwischen Kroatien und Jugoslawien gab. Mari sah den ganzen Tag lang fern und war
über alles bestens informiert.
Bevor er sich verabschiedete, kam der Partner noch einmal
auf das Problem zurück.
»Kürzlich wurde ein Sanatorium in der Stadt eröffnet.
Ausländisches Kapital und Behandlung auf erstklassigem
Niveau.«
»Was wird dort behandelt?«
»Sagen wir mal, Störungen. Und übertriebene Angst ist
eine Störung.«
Mari versprach, darüber nachzudenken, faßte aber noch
keinen Entschluß. Es brauchte einen weiteren Monat voller
Panikattacken, bis sie begriff, daß nicht nur ihr eigenes Leben,
sondern auch ihre Ehe zusammenbrach. Sie bat erneut um
Beruhigungsmittel und wagte, das Haus zu verlassen. Das
zweite Mal innerhalb von sechzig Tagen.
Sie nahm ein Taxi und fuhr zum neuen Sanatorium. Auf
dem Weg dorthin fragte der Fahrer sie, ob sie dort jemanden
besuchen wolle.
»Angeblich ist es dort sehr angenehm, aber offenbar gibt
es dort auch richtig Verrückte und Behandlungen mit Elektroschock.«
»Ja, ich besuche dort jemanden«, antwortete Mari.
Ein einstündiges Gespräch genügte, um dem zweimonatigen Leiden Maris ein Ende zu bereiten. Der Leiter der
Anstalt, ein hochgewachsener Mann mit schwarz gefärbtem
Haar namens Dr. Igor erklärte ihr, daß es sich nur um eine
panische Störung handle, eine erst kürzlich in die psychiatrischen Lehrbücher aufgenommene Krankheit.
»Das heißt nicht, daß die Krankheit neu ist«, erklärte er
und bemühte sich, verständlich zu sein. »Häufig verbergen
sich die Menschen, die von ihr befallen sind, aus Angst davor,
für verrückt gehalten zu werden. Es handelt sich wie bei der
Depression nur um ein chemisches Ungleichgewicht im
Organismus.«
Dr. Igor schrieb ein Rezept und bat sie, nach Hause zu
rückzukehren.
»Ich möchte jetzt nicht zurück«, antwortete Mari. »Trotz
allem, was Sie mir erzählt haben, traue ich mich nicht mehr
auf die Straße. Meine Ehe ist zur Hölle geworden, und ich
muß auch meinen Mann entlasten, damit er sich von den
Monaten erholt, in denen er sich um mich kümmern
mußte.«
Wie häufig in solchen Fällen, und da zudem die Aktionäre die Anstalt voll ausgelastet haben wollten, befürwortete
Dr. Igor eine Einweisung, wies jedoch deutlich darauf hin,
daß sie nicht notwendig sei.
Mari erhielt die entsprechenden
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