Verplant verliebt
Karlo hoch. Ihre Gesichtszüge wurden weich. „Es ist schön, zu wissen, wo du jetzt lebst. Ich habe mich gefragt, ob es das Richtige für dich ist, Hamburg zu verlassen.“ Sie strich ihm liebevoll über den Rücken. „Aber es scheint genau das Richtige zu sein. Du siehst gut aus, nimmst wieder am Leben teil. Du bist jetzt zwar 600 Kilometer von uns entfernt, mir aber wieder viel näher.“
Karlo schluckte und zog seine Mutter an sich.
Karlos Vater sah seine Frau eindringlich an. „Meine Liebe, wir wollten doch nicht ...“
Karlo unterbrach ihn: „Ist schon in Ordnung. Mutter hat ja recht. Ich war lange nicht mehr ich selbst. Der Ortswechsel hat mir geholfen.“
Und Marie, fügte Karlo in Gedanken hinzu. In diesem Moment wünschte er sich, sie wäre bei ihnen. Auf einmal schien es ganz leicht, ihr von Tiziana zu erzählen. Vielleicht war die Aussöhnung mit seinen Eltern das letzte Puzzleteil, das er noch benötigt hatte, um mit der Vergangenheit abzuschließen.
Sein Vater klopfte ihm auf den Rücken und lächelte. Karlo konnte sich nicht erinnern, dass eine Begegnung mit seinen Eltern jemals so ungezwungen gewesen wäre.
Marie hatte die Schuhe ausgezogen und fuhr mit ihren nackten Füßen durch den gleichmäßig gestutzten Rasen.
„Dann wäre ich natürlich ein Löwe!“, brüllte Gregor.
Marie verdrehte die Augen. Paula und Gregor amüsierten sich nun schon seit einer Stunde mit den typischen Frage-Antwort-Spielchen für Frischverliebte. Gerade war die „Wenn du ein Tier wärst“-Frage dran.
Paula analysierte Gregors Antwort: „Löwen liegen immer nur faul im Schatten, stänkern herum, wenn sich ein anderer Löwe einem ihrer Weibchen nähert, und überlassen sämtliche Arbeit den Löwinnen. Na bravo!“
Gregor nickte eifrig.
„Und was wärst du?“ Paula versuchte schon den ganzen Abend, Marie ins Gespräch einzubinden. Obwohl Marie wenig Lust hatte, sich an den Spielchen der beiden zu beteiligen, rang sie sich hin und wieder eine Antwort ab, um nicht allzu unhöflich zu sein.
Marie blickte hinüber zum See, wo die rosa Vögel auf einem Bein im Wasser standen. „Ein Flamingo.“
Paula folgte ihrem Blick. „Ich wette, du hältst es keine fünf Minuten auf einem Bein aus. Außerdem passt Rosa nicht zu deiner Haarfarbe.“
Das waren allerdings zwei schlagkräftige Argumente. Marie schnitt sich ein Stück Käse ab, legte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Sie spürte den Schatten von Gregor auf ihrem Gesicht. Er war aufgestanden, um Paula zu zeigen, wie lange er auf einem Bein stehen konnte. Paula kicherte und forderte ihn zu einem Wettkampf heraus.
„Hey Karlo“, rief Gregor plötzlich laut.
Das durfte doch nicht wahr sein! Marie fragte sich, ob sie sich nicht einfach schlafend stellen konnte.
„Herr Häberle, wie schön, Sie zu sehen!“, antwortete eine leicht nasale Frauenstimme.
Gregor sagte: „Frau Winterfeld. Herr Winterfeld.“
„Guten Tag, Herr Häberle.“ Die männliche Stimme war schon viel näher als es die weibliche gewesen war. Sie glich der von Karlo, war nur ein wenig rauer. Jetzt musste Marie wohl aufstehen. Sie atmete tief ein, öffnete die Augen, erhob sich und blinzelte gegen die Sonne. Vor ihr zeichneten sich Karlo und seine Eltern zuerst nur schemenhaft ab.
„Darf ich vorstellen? Das ist Paula Schneider, meine Freundin. Und das ist Marie Rebmann, Karlos ...“ Gregor stockte.
„Karlos Kollegin. Freut mich.“ Marie streckte Karlos Vater die Hand entgegen und versuchte sich in einem höflichen Lächeln. Dann reichte sie auch seiner Mutter die Hand.
Maries Augen hatten sich inzwischen wieder an die Abendsonne gewöhnt und sie sah, wie Karlo zögernd neben sie trat. Er legte seine Hand auf ihren Rücken und gab ihr einen zaghaften Kuss auf die Wange. Karlos Mutter riss ungläubig die Augen auf.
„Meine Freundin“, erklärte Karlo nüchtern und schob seine Finger in ihre.
Maries Herz machte einen Sprung. Seine Freundin!
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Frau Winterfeld ihre Sprache wiedergefunden hatte. Dann sagte sie lächelnd: „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, wobei die Betonung auf dem „sehr“ lag.
Marie erwiderte ihr Lächeln. Frau Winterfeld war eine attraktive Frau, sicherlich zwei Köpfe kleiner als Karlo und adrett gekleidet. Eine beige Leinenhose und eine schwarze Bluse umspielten ihre schlanke Figur. Ihre dichten blonden Haare waren hochgesteckt und sie trug Perlenohrringe.
„Woher kennen Sie denn meinen
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