Verräterherz (German Edition)
keine haben, ist es ja gut, dass ich meinen eigenen mitgebracht habe“, sagte ich übertrieben freundlich.
Morlet wich zurück und stieß gegen ein Tablett, auf dem eine Karaffe und mehrere verzierte Gläser standen. Alles fiel zu Boden und verursachte einen Heidenlärm, der uns beide zusammenzucken ließ.
„ Sie können mich nicht vernichten. Sie sind es nicht wert, jemanden wie mich hinzurichten. Sie wurden erst zum Vampir, nachdem ich Sie besucht hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren Sie ein Mensch. Meine Familie hingegen ist ein altes Vampirgeschlecht, das Sie zu einem Nichts werden lässt. Ein Nichts, hören Sie?! Sie sind ein NICHTS!“
„ Ein Nichts“, echote ich tonlos. „Das war ich für Sie, als Sie mir das Leben nahmen … und das bin ich für Sie immer noch.“
Ich war tatsächlich entsetzt über diese Erkenntnis. Und seinen Mord an mir als Besuch zu bezeichnen, war ungeheuerlich! Morlets Worte und seine grenzenlose Überheblichkeit waren es, die sein Todesurteil besiegelten. Dieser Mann sagte mir, ich sei nichts wert! Er sagte es mir ins Gesicht, statt nur ein Wort des Bedauerns zu äußern, für das, was er mir angetan hatte.
Mein Arm schnellte vor, meine Hand umfasste seine Kehle.
Er röchelte: „Das können Sie nicht tun. Seien Sie kein Idiot!“
Ich beschloss, dass ich das wohl eher wäre, wenn ich den Kerl entwischen lassen würde. Und dass ich noch ein viel größerer Idiot wäre, wenn ich es zu schnell beenden würde. Also steckte ich den Holzpflock in meinen Hosenbund, drängte Morlet gegen die Wand, griff nach einem der Dolche, die dort hingen, und rammte ihm dann die Spitze zwischen die Rippen. Morlet stieß einen Schrei aus, der wie Musik in meinen Ohren klang. Ich zog den Dolch hervor und stieß erneut zu, diesmal in seinen Bauch. Morlets Schrei wurde zu Gekreische, das einem den Nerv rauben konnte. Ich war bereit, ein paar meiner Nerven für diesen Spaß zu opfern.
Da ich vermeiden möchte, dass du mich für ein sadistisches Wesen hältst, werde ich einige Einzelheiten nun überspringen. Ich bin nicht sadistisch veranlagt, aber ich gebe zu, dass es eine sehr ausgeprägte Rache war. Und mir lag daran, ihn nicht auf die gleiche Art sterben zu lassen, wie meinen Tätowierten, sondern mit genau den gegenteiligen Gefühlen. Ich schätze, es gelang mir.
Als ich ihm schließlich, nachdem ich genug gespielt hatte, den Pflock in seinen Körper rammte, sah Morlet zumindest nicht glücklich aus, und er roch auch nicht so. Zufriedenheit erfüllte mich, als er sich in Nichts auflöste. Es geschah ihm recht, nachdem er mich als solches bezeichnet hatte!
Er war weg - ich war noch da. Duell gewonnen – alle Punkte gingen automatisch in meinen Besitz über. Nur, dass wir hier tatsächlich kein Spiel gespielt hatten, und es diese Punkte nur in meiner Vorstellung gab.
~3~
Hätte ich bei Morlets endgültigem Verschwinden schon geahnt, was ich heute mit Gewissheit weiß, wäre wohl eher ein „Game over Schild“ über meinem Kopf erschienen. Das ist zumindest eine passende Metapher für die Zeiten, in denen wir nun leben. Ebenso gut hätte ein imaginärer Strick um meinen Hals erscheinen können, dessen Schlinge sich im Laufe der Zeit immer fester zuziehen würde.
Und dies ist es, was ich dir näher erläutern muss. Vielleicht ahnst du schon, dass dieser verfluchte Nicolas Morlet die Wahrheit gesprochen hatte. Ihn zu töten war dumm. Es war mein Schicksal, aber es war auch verdammt dämlich. Ich glaube nicht an das Schicksal. Den letzten Satz muss ich also nachträglich streichen; ich hoffe, ich vergesse es nicht.
Als ich den Antiquitätenladen verließ, wusste ich noch nichts von dem, was ich heraufbeschworen hatte. Ich war nur zutiefst befriedigt, nach all den Jahren endlich die Rechnung an den richtigen Mann gebracht zu haben. Bezahlt hatte er sie auf für mich geradezu köstliche Weise. Er würde nie wieder töten, nie wieder gerade erst begonnenes Leben auslöschen, und nie wieder Vampire zeugen, durch seine eigene Blutgier. Nun gut, er hatte mich nicht zeugen wollen. Und so gesehen war er es ja auch nicht gewesen. Es war eigentlich nicht sein Anteil. Er war nur derjenige, der es möglich gemacht hatte. Fakt ist, dass er mein Leben hatte auslöschen wollen, und dass jemand anderes – nämlich der Tod selbst - wollte, dass ich weiterlebte. Nur die Umstände dafür hatte Morlet unumstößlich festgelegt.
Ich spüre, dass es nun Zeit wird, von dem Mädchen zu erzählen. Es ist ein
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