Verräterherz (German Edition)
würdest, wenn ich dir nun sage, dass du dein Dasein als Vampir beenden musst.“
Sie reichte mir die Hand und half mir mit geradezu erschreckender Leichtigkeit auf die Beine.
Ich sah an mir hinab – blutbesudelt … das Blut des Todes. Oder besser gesagt, das Blut des Körpers, in den der Tod geschlüpft war. Irgendwie war mir das peinlich. Schließlich zwang ich mich, das alles zu überwinden und mit der Sprache rauszurücken, bevor ein anderes Ableben Mademoiselle la mort zwingen würde, mich wieder zu verlassen. Dennoch kam ich nicht umhin, irgendwie eine Erklärung für mein drastisches Verhalten anzuführen.
„ Es gibt andere Vampire, die mir nach dem Leben trachten. Ich brauche Antworten. Und ich vermute, ich hätte dich so oder so bald gesehen. Da war es mir lieber, dieses Treffen selbst herbeizuführen“, rechtfertigte ich mich.
Sie schenkte mir ein überraschend herzliches Lächeln.
„ Du bist ein minderbemittelter Idiot.“
Ich zuckte ein wenig unter ihren harschen Worten zusammen. Zu leicht vergaß ich, dass ich es eben nicht mit einem Mädchen zu tun hatte.
Ungerührt von meiner Reaktion fuhr sie fort: „Glaubst du wirklich, ich würde dich noch einmal zurückkehren lassen?“
„ Ich hoffe es … ja“, erwiderte ich leise.
„ Stell mir deine Frage!“, fuhr der Tod mich an.
Ich schluckte und das Blut in meinem Magen fühlte sich plötzlich wie ein Sack voller Steine an. Es verteilte sich langsam in meinen Adern und ich fragte mich zum ersten Mal, wie mein Körper wohl funktionierte. Das Blut wurde absorbiert. Kein Herz, das es pumpte. Es verschwand einfach und musste durch neues ersetzt werden. Kein Wunder, dass Vampire sich so kraftlos fühlen, wenn sie nicht bald wieder ein Opfer finden. In meinem Fall war es nun jedoch so, dass ich das Blut des Todes in mir trug. Es verbreitete sich in meinem Körper und meine Adern schienen bersten zu wollen, so dickflüssig drängte es sich durch sie hindurch. Mir wurde schlecht davon.
„ Wenn du kotzt, bist du Geschichte!“, drohte mir das Mädchen. Ich schluckte abermals und riss mich zusammen.
„ Warum hast du mir damals die Möglichkeit gegeben, mich in einen Vampir zu verwandeln?“
„ Warum nicht?“, konterte der Tod.
„ Weil du es bei so vielen anderen nicht tust. Warum bei mir?“
Das Mädchen griff nach einem seiner Zöpfe und drehte ihn hin und her. Das sah so verspielt aus, dass ich gequält seufzte.
„ Bitte, sag mir den Grund. Ich weiß, dass es einen gibt. Aber ich verstehe ihn nicht.“
„ Du bist nun seit rund Zweihundertfünfzig Jahren ein Vampir, aber du stellst immer noch die Fragen eines Menschen.“
Das klang genervt, aber nicht so genervt, wie ich es erwartet hatte.
„ Ich habe wohl nie aufgehört wie einer zu denken. Ich nähre mich von ihnen, als seien sie eben nur dafür geschaffen worden, aber ich bin immer noch an der Welt der Menschen interessiert. Vielleicht ist das falsch. Vielleicht habe ich es versäumt, mehr über die Welt der Vampire zu erfahren. Ich hätte das wohl tun sollen, auch wenn die meisten Geschichten sich nur um die altehrwürdigen Familien und ihre Stammbäume drehen. Ich dachte, dies sei nicht meine Welt. Aber vermutlich lag ich falsch, denn ich weiß so vieles nicht. Ein Hüter zum Beispiel ist für alle Vampire da, egal welche Abstammung sie haben, nicht wahr? Aber ich weiß über diese Hüter einfach zu wenig. Sie beschützen die Vampire ... jeden von uns, richtig?“
Der Tod verzog das Gesicht, als hätte er Modergeruch in der Nase. Seine Stimme klang plötzlich überhaupt nicht mehr wie die eines kleinen Mädchens, sondern dunkel und volltönend.
„ Ja, normalerweise sollten sich Hüter so verhalten. Sie sollten ein Vorbild sein und diejenigen schützen, die ihnen anvertraut wurden. Das heißt, sie beschützen alle Vampire, egal welcher Abstammung. Nicolas Morlet allerdings hat einen Frevel begangen, als er dich tötete. Es ist Hütern untersagt, selbst zu töten. Aber Morlet wollte sich diesem Verbot nicht fügen. Statt ausschließlich Blut aus einem Kelch zu trinken, überfiel er immer wieder Menschen und ließ sie nach seiner Sättigung ausbluten. Er tat dies auch mit dem Mädchen, dessen Körper durch mich weiter existiert. Ich konnte bei dem Mord nur zusehen, aber ich konnte nicht eingreifen, um ihn zu verhindern. Mir waren die Hände gebunden. Das Kind war so tapfer. Als ich ihm erschien, sagte es mir, es würde seinem Mörder verzeihen, denn nur gute Menschen kämen in
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