Verräterische Gefühle
„Was ist falsch an lockerer Dinner-Konversation?“, fragte sie reserviert und machte Anstalten, sich zu erheben.
„Also gut“, lenkte Nathaniel rasch ein, „dann lass uns eben reden. Und erklär mir als Erstes, warum du immer diese Schlammfarben trägst.“
„Weil es mir gefällt.“
„Und warum magst du es nicht, fotografiert zu werden?“
„Nicht jeder kommt als Exhibitionist auf die Welt.“
Nathaniel beugte sich vertraulich vor. „Kleiner Wink vom Profi … wenn du jemand überzeugend anlügen willst, musst du ihm dabei fest und gerade in die Augen schauen. Du, Katie Field, bist eine miserable Lügnerin und hütest mindestens so viele Geheimnisse, wie du sie mir unterstellst.“ Er griff nach seinem Weinglas und trank einen Schluck, wobei er seine Tischdame nicht aus den Augen ließ.
Stumm schauten sie sich an, bis Katie irgendwann den Blickkontakt abbrach, weil ihr das Blut in den Ohren rauschte.
„Erzähl mir, wie du auf die Idee gekommen bist, Kostümdesignerin zu werden. Übers Schultheater?“
Dankbar und erleichtert über den Themenwechsel, der ihr wieder festen Boden unter den Füßen gab, schüttelte sie den Kopf und wagte es sogar, ihm in die Augen zu schauen. „Schon lange davor“, gestand sie lächelnd. „Zunächst habe ich meine Puppen eingekleidet, dann meine Freundinnen. Am liebsten spielten wir Hollywood.“
Nathaniel lachte aufrichtig amüsiert. „Ihr habt Hollywood gespielt? Wie das?“
„Wir erfanden ein imaginäres Filmstudio, und Martha war der Direktor. Dann gab es noch Emily, die Drama-Queen, die sich ihre Rollen selbst aussuchte, während Sally und Jenny spielen mussten, was übrig blieb.“
Und natürlich Paula, meine Schwester, die ewige Prinzessin! Aber das sagte Katie nicht laut.
„Und du?“
„Ich habe dafür gesorgt, dass jeder gut und überzeugend aussah. Meine Eltern wollten, dass ich Englisch an der Uni belege, doch ich interessierte mich ausschließlich für Kunst, Mode, Film und Theater. Waren deine Eltern mit deiner Berufswahl als Schauspieler einverstanden?“
„Ich habe sie nie nach ihrer Meinung gefragt.“
Nachdenklich tippte Katie sich mit der Fingerspitze an die Unterlippe. „Irgendwo habe ich gelesen, dass du schon mit sechzehn zu Hause ausgezogen und gleich nach Hollywood gegangen bist.“
Nachlässig hob er die Schultern. „Ich bekam die Chance und habe sie genutzt.“
„Und deine Eltern haben nicht einmal den Versuch unternommen, dir deinen wagemutigen Plan auszureden?“
In Nathaniels blauen Augen glomm ein gefährlicher Funke, als er seinen Stuhl zurückschob und aufstand. „Gute Nacht, Katie.“
„Aber ich …“ Ihr Mund klappte zu, als ihr bewusst wurde, dass sie bereits zu seinem Rücken sprach.
Die nächsten Tage verbrachte Katie hauptsächlich damit, das Drehbuch durchzuarbeiten und immer wieder neue Skizzen anzufertigen.
Nathaniel bekam sie so gut wie nie zu Gesicht. Nach ihrer ersten Nacht in der Strandvilla hielt er deutlich Abstand zu ihr, allerdings ohne seine Gastgeberrolle zu vergessen. Doch seine perfekt gespielte Höflichkeit schmeckte schal und ging ihr zunehmend auf die Nerven. Wenn sie einmal miteinander sprachen, dann über Filme oder irgendwelche Nebensächlichkeiten, aber nie über Privates.
Um ihrer Einsamkeit zu entfliehen, schloss Katie sich dem Personal an. Sehr schnell war sie bestens mit jedermann befreundet … außer mit Nathaniel.
„Du hast heute so lange auf Ben eingeredet, dass er seine Arbeit nicht geschafft hat“, hielt Nathaniel ihr eines Abends vor, während sie bei einem köstlichen Dinner zusammensaßen.
Katie legte ihre Gabel auf den Teller und versuchte, nicht verletzt zu reagieren. „Wir haben nur eine Weile miteinander geplaudert. Weißt du eigentlich, dass er seine Freundin nur einmal in der Woche trifft?“
„Glücklicher Bursche!“ Nathaniel unterdrückte ein Gähnen. „Einmal die Woche Sex, ohne den ganzen Sermon, der sonst noch zu einer Beziehung gehört, klingt doch perfekt.“
„Musst du eigentlich immer so ätzend sein, wenn es um Gefühle geht?“, empörte Katie sich. „Warst du denn nie verliebt?“
Sein zynisches Lachen trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. „Das ist eine typische Frage aus Katie-Land, wo der Himmel Babyblau ist und die Sonne immer scheint.“
Darauf sprang Katie so vehement auf die Füße, dass ihr Stuhl nach hinten kippte. „In Katie-Land scheint keineswegs immer die Sonne!“, fauchte sie wütend. „Ich habe einen Haufen Probleme
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