Verräterisches Profil
diesem Namen.«
»Das finde ich erstaunlich, wo doch Wilhelm Konrads in der letzten Woche fast jede Nacht gegen halb zwei Ihren Service im Internet in Anspruch genommen hat.«
»Ich hatte tatsächlich in der letzten Woche einen neuen, regelmäßigen Kunden, für den ich um die von Ihnen erwähnte Uhrzeit getanzt habe, allerdings –«
»Getanzt?«
»So nenne ich das, was ich hier mache.«
»Ihre kleine, dreckige Pornoshow.«
»Aber er hat mir nie seinen Familiennamen genannt«, fuhr Katrin fort, ohne auf die Bemerkung einzugehen. »Bei seinem ersten Besuch auf der Webseite konnte er sich einen Benutzernamen ausdenken und nannte sich Daddycool.«
»Dass er nur fünfhundert Meter Luftlinie von Ihnen entfernt wohnte, wussten Sie nicht.«
»Was? Ja. Ich meine, nein. Natürlich wusste ich das nicht. Meine Tätigkeit dient nicht zum Austausch von Adressen.«
»Sondern?«
»Ich befriedige auf virtuelle Weise Männer, was sonst?«
»Erzählen Sie mir Einzelheiten.«
Katrin seufzte. »Alle Internetnutzer, die Interesse an diesem Angebot haben, melden sich auf der Startseite an. Neukunden wird ein fünfzehnminütiger Gratiszugang gewährt, vorausgesetzt, der Surfer registriert sich mit einer nicht im System hinterlegten E-Mail-Adresse. Will er unsere Dienste nach Ablauf der Gratiszeit nutzen, muss er ein Abo abschließen. Das Unternehmen zahlt mir nur einen mageren Festbetrag; den größten Teil meiner Einnahmen bestreite ich durch Kunden, die auf mein Bild klicken und sich damit quasi in mein Zimmer einwählen. Je länger sie bei mir bleiben, desto höher ist mein Anteil.«
»Wie oft in der Woche tanzen Sie?«
»Ich muss laut Vertrag im Monat mindestens zehnmal verfügbar sein, ansonsten entfällt der fixe Lohn. Gerade in letzter Zeit musste ich ein paar teurere Anschaffungen tätigen und war daher deutlich häufiger online.«
Beate deutete auf die Wasserpfeife. »Drogen?«
Katrin lachte. »Ich habe mir ein Auto zugelegt. Wollen Sie den Kaufvertrag sehen?«
Beate schüttelte den Kopf. »Strippen Sie für mehrere Gäste gleichzeitig?«
»Nein, immer nur einzeln. Sonst würde die Chatfunktion keinen Sinn ergeben.«
»Was machen Sie, während Sie auf einen neuen Spanner warten?«
»Das werden Sie mir zwar sowieso nicht glauben, aber ich sitze mit einem Bademantel bekleidet am Schreibtisch und lerne für mein Studium. Mir fällt es bedeutend leichter, nachts zu lernen. Ein Signalton sorgt dafür, dass mir kein Besucher entgeht.«
»Was passiert, sobald Sie sich in Position gesetzt haben?«
»Die Männer teilen mir ihre Wünsche mit. Mein Laptop ist mit einer Sprachausgabe-Software ausgestattet. Und ich antworte ihnen per Mikrofon.«
»Was können Sie mir über den Kunden berichten, der Sie letzte Woche so regelmäßig besucht hat?«
»Eigentlich nichts. Zugegeben, er loggte sich sehr verlässlich ein, aber das ist bei Neukunden oft so. Bis sie Lust auf etwas anderes bekommen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
»Hat er sich durch nichts Ungewöhnliches ausgezeichnet?«
»Nein. Sie sehen ja selbst, wie jung ich noch wirke. Das ist mein Erfolgsrezept. Surfer, die mich auswählen, haben gewisse Vorlieben. Viele meiner Stammkunden wollen mit Papi oder Vater angesprochen werden. Er mit Daddy, was ich noch weiß, weil es zu seinem Benutzernamen passte. Ich kann mich allerdings an keinen perversen Befehl erinnern. Ein ganz normaler –«
Plötzlich brach sie ab und Beate sah ihr an, dass sie etwas beschäftigte.
»Ist er Samstagnacht – so gegen halb zwei – ermordet worden?«
»Woher wissen Sie das?«
»Dieser Kunde hat mir in der Nacht deutlich früher als bei seinen vorherigen Besuchen geschrieben, dass er seinen Saft verspritzt habe und nun seine Frau glücklich machen wolle.«
Entsetzt schlug sie eine Hand vor den Mund. Sie schien zu begreifen, von wem dieser Satz in Wirklichkeit stammte.
***
In der hintersten Ecke eines schäbigen Internetcafés denke ich mir einen unbedeutenden Namen aus. Anschließend gebe ich eine E-Mail-Adresse an, die nicht auf mich zurückverfolgbar ist, und aktiviere über den mir zugesandten Link meinen Gratiszugang.
Katrin Golisch saß in ihrem Bademantel am Schreibtisch und blätterte gedankenverloren in einem Fachbuch. Aufs Lernen konnte sie sich an diesem Abend nicht konzentrieren. Der Besuch der Kommissarin wenige Stunden zuvor hatte sie innerlich aufgewühlt. Wie konnte diese Polizistin bloß glauben, sie hätte etwas mit den Morden zu tun?
Das
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