Verräterisches Profil
wütenden Zischen einer Schlange. »Oder ist es deine Fotze, die du hergibst, um dein Ziel zu erreichen? Liebt er wie ich das warme, glitschige Gefühl, wenn man es sich mit dem Mund besorgen lässt? Liebt er es, auf deinem Gesicht abzuspritzen?«
Die Frau hilft einem kleinen Mädchen aus dem Wagen. Ich reduziere meine Geschwindigkeit. In dem Moment öffnet ein Junge die Haustür und begrüßt begeistert seine Mutter.
Uninteressant!
Ich gebe Gas; die mir unbekannte Familie bleibt verschont zurück.
11
Zwei Abende später schlendere ich über das alljährliche Sommerfest der Ruhr-Uni. Um mich herum amüsieren sich Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Gesprächsfetzen dringen an mein Ohr, untermalt von ausklingender Musik, Applaus ertönt. Aufgrund der vielen Essensstände liegt ein undefinierbarer, jedoch angenehmer Geruch in der Luft.
Ich sehe mir den Programmzettel an. In zehn Minuten wird die zweite Liveband des Tages auf der Bühne gegenüber dem Auditorium spielen. Also beschließe ich, langsam dorthin zu gehen.
Gerade als ich in Sichtweite der Musikbühne bin, tauchen die vier Künstler unter dem wohlwollenden Beifall des Publikums auf und beginnen mit ihrer Show.
Die ersten zwei Songs gefallen mir, danach sinkt mein Interesse stetig. Mein Blick schweift über die Menge. Ich erwarte nicht wirklich, ausgerechnet hier eine dreiköpfige Familie zu finden, die meiner Vorstellung entspricht, aber allein der Gedanke an einen solchen Zufallstreffer bereitet mir Vergnügen.
Plötzlich entdecke ich eine Frau, die mir vage bekannt vorkommt. Ich bin mir nicht ganz sicher, doch als ich sie einige Sekunden beobachte, verschwinden meine Zweifel. Keine dreißig Schritte von mir entfernt steht Kitty. An ihrer Seite hampelt ein junger Mann herum, der sich auffällig um sie bemüht.
***
Beate schloss die Kinderzimmertür. Die bunte Musikschnecke, die an Anastasias Kinderbettchen angebracht war, spielte eine Einschlafmelodie und schickte ihre Tochter hoffentlich ins Land der süßen Träume.
Sie ging in die Küche, wo ihr Mann eine chinesische Hühnersuppe zubereitete. »Das riecht traumhaft«, lobte sie ihn und stellte sich dicht hinter ihn. »Wann ist das Essen fertig?«
»In einer halben Stunde.« Sebastian drehte sich um und nahm sie in die Arme. »Du bist heute relativ früh nach Hause gekommen«, stellte er erfreut fest.
»Wenigstens einmal in der Woche möchte ich Ana ins Bett bringen. Also bin ich zeitig losgefahren und habe mir etwas Arbeit mitgenommen.«
Sie bemerkte, wie er sich versteifte.
»Oh. Wir haben in letzter Zeit so wenig voneinander.« Seine Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen.
Es war ihre bewusste Entscheidung gewesen, das Präsidium früher zu verlassen, allerdings bereute sie diesen Entschluss nun. Im Büro hätte sie in Ruhe zu Ende arbeiten können, hier musste sie sich dafür rechtfertigen. Konnte Sebastian nicht einsehen, wie wichtig es war, dass sie den Mörder fasste, damit keine weiteren Familien sterben würden? Doch anstatt mit ihm darüber zu diskutieren, schluckte sie ihre Verärgerung hinunter.
»Ich weiß. Aber es ist nicht viel, was ich noch erledigen muss. Mark hat mir den – wie er es nennt – psychologischen Teil seines Profils mitgegeben. Ich kann das kurz vorm Schlafen lesen.«
Eigentlich spürte sie das Verlangen, die Unterlagen so schnell wie möglich zu studieren. Sebastian hatte sein Missfallen jedoch klar zum Ausdruck gebracht, und einen Ehestreit wollte sie vermeiden. Auch wenn sie dafür ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen musste.
Statt durch ihr Einlenken friedlich gestimmt zu sein, löste er seine Arme von ihr und schaute sie misstrauisch an. »Duzt ihr euch mittlerweile?«
»Ja«, bestätigte sie schmunzelnd. »Das war amüsant. Wir saßen im Büro, erörterten die Sachlage, er wollte ein Foto haben, das auf meinem Schreibtisch lag. Da sagte er: ›Beate, kannst du mir bitte das Foto geben‹, oder so ähnlich. Danach sind wir beim ›Du‹ geblieben. Würde mich keineswegs wundern, wenn er sich von seinen Studenten ebenfalls duzen lässt. So locker habe ich mir einen Uniprofessor nicht vorgestellt.«
»Sonst war da nichts?«, hakte Sebastian nach.
»Bist du eifersüchtig?«, fragte sie verwundert.
»Ich mache mir auf jeden Fall Gedanken«, antwortete er ausweichend.
»Worüber?«
»Warum wir zum Beispiel seit Monaten keinen Sex mehr miteinander haben. Ein anderer Mann wäre eine Erklärung«, erwiderte er gereizt.
Fassungslos
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