Verräterisches Profil
Nachdem sie sich kurz bezüglich einer anstehenden Kinoverabredung abgestimmt hatten, kam Sylvia auf den Grund ihres Anrufs zu sprechen.
»Bist du dir sicher, dass dein Ex nicht in Urlaub gefahren ist? Ich wollte ihm eine neue Nachricht hinterlassen, doch auf dem AB war kein Platz mehr für weitere Aufzeichnungen. Hört sich für mich so an, als wäre er längere Zeit verreist oder als hätte er irgendwo einen Ferienjob angenommen.«
»Komisch.«
»Am besten schaue ich mal bei ihm vorbei. Was für einen Wagen fährt er?«
»Einen roten Seat, der meistens kaputt ist. Deshalb musste ich ihn an jenem Samstag abholen.«
»Erinnerst du dich ans Kennzeichen?«
Isabella nannte es ihr.
»Wenn ich ihn antreffe, lasse ich mir deine CDs aushändigen.«
»Da würde ich gerne Mäuschen spielen, um sein Gesicht zu sehen«, lachte Isabella.
Der rote Wagen stand praktisch genau vor der Haustür, aber sein Besitzer machte ihr nicht die Tür auf. Sie schellte mehrere Male und wartete fünf Minuten. Gerade als sie wieder gehen wollte, kam eine ältere Frau auf sie zu. In der linken Hand trug sie eine Einkaufstüte, in der rechten einen Katzenkorb mit Katze.
Sylvia erkundigte sich bei ihr, ob sie Peter Kleine in den vergangenen Tagen gesehen hatte. Die Hausbewohnerin schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf.
»Jetzt, da Sie mich darauf ansprechen, fällt mir tatsächlich auf, ihm schon lange nicht mehr begegnet zu sein. Obwohl wir auf der gleichen Etage wohnen.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie Richtung Bürgersteig. »Und das Auto ist auch ewig nicht bewegt worden. Blockiert den besten Parkplatz vorm Haus.« Im Korb miaute die Katze kläglich. Entschuldigend lächelte die Nachbarin. »Wir waren gerade beim Tierarzt, Tinka will unbedingt raus.«
»Kann ich verstehen, ich habe selbst einen Kater zu Hause. Haben Sie in letzter Zeit mal Musik aus seiner Wohnung gehört?«
Erneut schüttelte die Dame den Kopf. »Ob ihm etwas zugestoßen ist?«
Eine halbe Stunde später befand sich Sylvia im Büro der Kommissare Bauer und Vetter und informierte sie über den Sachstand. Als sie erwähnte, wann der Student seine Ex-Freundin verlassen hatte, wurden die beiden hellhörig. Hatte sich Kleines Weg etwa mit dem des Mörders gekreuzt und war ihm dies zum Verhängnis geworden?
Kleines Eltern waren vier Jahre zuvor bei einem Hubschrauberabsturz im Grand Canyon ums Leben gekommen, wie ihr Isabella erzählt hatte. Da diese keinen Schlüssel zur Wohnung besaß, versuchte Sylvia in den folgenden zwei Tagen erfolglos, einen näheren Verwandten, Bekannten oder Kommilitonen zu finden, der Peter Kleine seit jener Nacht gesehen oder mit ihm gesprochen hatte. Danach ließ sich Kommissarin Bauer einen richterlichen Beschluss ausstellen, um ihnen Zugang zu Kleines Wohnung zu verschaffen. Nach dem Öffnen der Eingangstür inspizierten Sylvia und die Leiter der Soko in Begleitung von Isabella die Räume. Die Pflanzen waren anscheinend seit Längerem nicht gegossen worden und einige der Fische im Aquarium waren eingegangen. Nach einer kurzen Musterung des Kleiderschranks stellte Isabella fest, dass keines der Lieblingskleidungsstücke ihres Ex-Freundes fehlte.
Die Polizisten standen vor einem weiteren Rätsel.
16
Jan Uhlich zuckte vor Thorsten Walthers hasserfülltem Blick zurück.
»Was denkst du dir eigentlich dabei?«, fauchte Walther.
»Das verstehst du nicht«, entgegnete Uhlich mit unterwürfiger Stimme.
»Da hast du allerdings recht! Seit Monaten lasse ich dich hier wohnen. Du musst dich lediglich nach deinen Möglichkeiten finanziell beteiligen und manchmal nett zu mir sein. Ist das zu viel verlangt?«
Uhlich schaute zu Boden. Warum brachte er sich bloß jedes Mal in Schwierigkeiten? Die Bullen suchten ihn, aber anstatt froh zu sein, bei jemanden wohnen zu können, dem das egal war, setzte er alles aufs Spiel.
»Können wir den Vorfall nicht einfach vergessen?«, bat er kleinlaut.
An dem Abend, als seine ersten Pflegeeltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte er instinktiv gespürt, dass etwas Schreckliches passieren würde. Noch ehe sie sich ins Auto gesetzt hatten.
Stunden, bevor Wilhelm Konrads nachts in seinem Zimmer aufgetaucht war, hatte er das drohende Unheil in seinen Augen erkannt.
Und das gleiche Gefühl beschlich ihn auch jetzt.
»Bitte«, flehte er flüsternd.
Unbeeindruckt wandte sich Walther von ihm ab. »Ich will dich nicht mehr sehen. Pack deine Sachen und verschwinde.«
»Wo soll ich denn
Weitere Kostenlose Bücher