Verräterisches Profil
ihre beste Freundin wohnte.
Nach langem Klingeln ging dort endlich ein Licht an. Kurz darauf fiel sie der Nachbarin in die Arme.
18
Mark Gruber traf nur zehn Minuten nach den Kommissaren am Tatort ein und verschaffte sich einen Eindruck vom Tathergang. Er empfahl der Polizei, unverzüglich eine Kinderpsychologin hinzuzuziehen. Vermutlich würde die Tochter den Anblick ihrer toten Eltern niemals vergessen, doch je eher ihr kompetent geholfen wurde, desto besser waren ihre Aussichten, ein einigermaßen normales Leben zu führen.
Dankbar für diesen Rat kontaktierte Beate eine Fachärztin, die einige Stunden später im Morgengrauen auf sie zukam, nachdem sie sich intensiv um das Kind gekümmert hatte.
»Eileen möchte zu ihrem Vater«, erklärte sie ihnen.
Betroffen sah Mark die Psychologin an. Was für eine unfassbare Tragödie. »Haben Sie ihr klarmachen können, dass ihr Vater tot ist?«, fragte er.
»Ihr Stiefvater ist tot«, korrigierte ihn Dr. Göltz.
***
»Wo ist meine Tochter?«, wollte Norbert Hill wissen.
»Momentan schläft sie«, antwortete Beate. »Sie können zu ihr, sobald sie aufwacht.«
Sie betrachtete den Mann, den die Besatzung eines Streifenwagens frühmorgens aus dem Bett geklingelt und zu ihnen gebracht hatte. Er trug ein langärmeliges, braunes Sweatshirt, unter dem sich ein muskulöser Oberkörper abzeichnete. Seine spärlichen, dunkelblonden Haare standen wirr in alle Richtungen. Von den sehr ausgeprägten Geheimratsecken abgesehen war das Gesicht völlig unauffällig. Bartstoppeln deuteten darauf hin, dass ihm keine Zeit für eine Rasur geblieben war.
»Was ist hier überhaupt passiert? Ihre Kollegen haben mir so gut wie nichts verraten. Wo sind Meike und Tom?«, sprudelten die Fragen aus ihm heraus.
Beate legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm. Dann führte sie ihn ins Esszimmer der Familie Roth, wo der Professor, die Kinderpsychologin und ihr Kollege Robert am Tisch saßen und ihm der Reihe nach vorgestellt wurden. Anschließend brachte sie ihm schonend bei, was in der Nacht geschehen war. Als er sich wieder gefangen hatte, bat sie ihn um Erläuterung, in welchem Verhältnis er zu den Noltes gestanden hatte.
»Ich habe Meike vor sechs, nein, inzwischen sieben Jahren in einer Disco kennengelernt. Damals war ich dreiundzwanzig. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, aber wir fanden uns von Anfang an sympathisch. Nachdem wir ein paar Mal miteinander ausgegangen waren, funkte es.« Seine Augen waren auf die Tischplatte gerichtet, die Hände hielt er ineinander verschränkt. »Nach ungefähr sieben Monaten wurde sie ungeplant schwanger. Das war ein Schock. Meike arbeitete als Arzthelferin, ich steckte mitten im Studium.«
»Was haben Sie studiert?«, unterbrach ihn Mark.
»Maschinenbau. Richtig zufrieden war ich mit dieser Fächerwahl jedoch nicht. Deshalb fiel es mir nicht sonderlich schwer, das Studium aufzugeben, sobald wir uns fürs Kind entschieden hatten. Einer musste ja schließlich den Lebensunterhalt verdienen. Ich bekam einen Job in einer Telemarketingagentur. Telefonische Kundenbetreuung und Telefonverkauf. Allerdings alles seriös. Meine Firma gehört nicht zu den schwarzen Schafen, die Kunden um ihr Geld prellen.«
»Arbeiten Sie heute noch dort?«, hakte Mark erneut nach.
»Ja. Drei Monate vor Eileens Geburt heirateten wir. Fast in der gleichen Woche zogen wir auch in eine gemeinsame Wohnung. Eileen kam zur Welt, alles lief prima. Doch nach einem Jahr fingen Meike und ich an, uns immer häufiger zu streiten. Dann lernte sie Tom kennen und begann heimlich eine Affäre mit ihm. Etwa zwei Monate später klärte sie mich darüber auf und verlangte die Scheidung. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Natürlich versuchte ich, sie zurückzugewinnen. Ohne Erfolg. Sie zog mit Eileen zu Tom. Ich suchte mir eine eigene Bleibe, wir ließen uns scheiden. Seitdem sehe ich meine Tochter jedes zweite Wochenende und einmal im Jahr für vierzehn Tage am Stück. Bislang hat alles reibungslos geklappt.« Seine Schultern sackten zusammen, als würde ihn die zukünftige Verantwortung schwer belasten.
»Wann haben die beiden geheiratet?«, fragte Beate.
»Vor zwei Jahren. Weiß einer von Ihnen, was jetzt mit meiner Tochter passiert?«
»Zunächst muss sie in ärztliche Behandlung«, erklärte Dr. Göltz. »Sie hat einen Schock erlitten. Ich werde sie mit Ihrer Einwilligung ins St. Josef-Hospital einweisen, wo ich selbst arbeite.«
»Das wird wohl das Beste sein.«
»Des
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