Verräterisches Profil
vor, das Kondom wegzuschmeißen. Stattdessen bewahrt er es auf und zieht wahrscheinlich noch in der gleichen Nacht los. Schließlich darf das Sperma nicht zu alt sein. Er verrichtet sein Werk, aber statt seinen genetischen Fingerabdruck hinterlässt er den des Callboys. Ein perfekter Plan. Zumindest so lange, bis ein anderer Kunde des Prostituierten bei einer handfesten Auseinandersetzung stirbt.«
»Und wir bei völlig verschiedenen Morden die gleichen Spuren entdecken«, fügte Mark hinzu. Mit spürbar wachsender Begeisterung hatte er ihr zugehört. »Du bist genial. Wie bist du auf diese Idee gekommen?«
»Sie war gestern Abend plötzlich in meinem Kopf«, antwortete Beate ausweichend.
Mark sah sie amüsiert an. »Kaum ist dein Mann für ein paar Tage verreist, entwickelst du wilde Sexfantasien«, schmunzelte er. Dann wurde er wieder ernst. »Wie weit ist Kommissar Stemmler mit seinen Ermittlungen? Sobald wir den Callboy haben, kommen wir der Lösung unseres Falls einen deutlichen Schritt näher.«
»Drei Polizisten sind damit beschäftigt, alle Telefonnummern anzuwählen, die Anders in den letzten sechs Monaten angerufen hat. Das dauert eine Weile. Jeden Mann, der potenziell als Prostituierter infrage kommt, bitten wir zum Gespräch ins Präsidium. Die Kollegen haben natürlich besonders ein Augenmerk auf diejenigen Kandidaten, die nicht auftauchen oder versuchen, den Termin aus fadenscheinigen Gründen in die Zukunft zu schieben. Irgendwann werden wir ihn gefunden haben«, stellte Beate hoffnungsfroh fest.
***
Die Story dümpelte langsam vor sich hin. Nach jeder neuen Mordnacht stieg das Interesse sprunghaft an, um danach täglich kleiner zu werden. Zunächst war es die Titelstory, wenige Tage später wanderten ihre Berichte in den Innenteil.
Melanie hatte gehofft, die Ereignisse als Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere nutzen zu können. Stattdessen spielte der Redakteur mit dem Gedanken, die Hauptverantwortung einem erfahreneren Journalisten zu übertragen.
Um sich von dieser deprimierenden Entwicklung abzulenken, hatte sie Lukas’ Drängen hinsichtlich eines erneuten Treffens nachgegeben, obwohl ihr nicht der Sinn nach Matratzenakrobatik stand. Dementsprechend lustlos war der Akt über die Bühne gegangen.
Nun lagen sie beide auf dem Rücken und rauchten eine Zigarette.
***
Lukas drehte sich auf die Seite und betrachtete Melanie, die einen für seinen Geschmack perfekten Körper hatte. Einen kleinen, knackigen Po, eine Wespentaille, mittelgroße Brüste mit großen Brustwarzen, eine rasierte Vulva.
Noch viel mehr als ihr makelloses Aussehen begeisterte ihn allerdings das perfekte Arrangement, das sie eingegangen waren. Im Regelfall trafen sie sich zwei- oder dreimal die Woche – ohne weitere Verpflichtungen dem anderen gegenüber. Nach den Erfahrungen, die er in festen Partnerschaften gemacht hatte, konnte er darauf nämlich gut verzichten. Doch nun sorgte er sich, dass die schöne Zeit bald zu Ende gehen würde. Melanie schien das Interesse an ihm zu verlieren. Wie konnte er es bloß neu anfachen?
Er begann, sanft ihren Busen zu streicheln. Als seine Hand tiefer rutschte, stoppte sie ihn.
»Ich möchte heute kein zweites Mal. Sorry.«
»Oh.« Lukas überlegte, ob er einen Fehler begangen hatte, es fiel ihm jedoch nichts ein. »Habe ich was falsch gemacht?«, erkundigte er sich.
»Flocke«, sagte sie deutlich sarkastisch und mit an die Decke gerichtetem Blick. »Nicht die ganze Welt kreist um deine Libido. Ich habe einfach keine Lust.«
Er legte sich nachdenklich auf den Rücken. Immer, wenn sie über den Fall geredet hatten, war sie mit Feuereifer bei der Sache gewesen, ohne jemals vertrauliche Informationen in ihren Artikeln zu verarbeiten. Sollte er ihr von einem der Details, das sie nicht kannte, erzählen? Immerhin wusste die Presse nicht, dass in unterschiedlichen Mordfällen das gleiche Sperma gefunden worden war.
»Ich habe kürzlich beim Abgleich von Daten etwas Unglaubliches entdeckt.«
»So?« Nach wie vor wirkte sie gedankenverloren.
Aber als er weiterredete, änderte sich das. Und schließlich bekam sie sogar wieder Lust auf Sex.
Die Onlineausgabe der Zeitung berichtete schon am nächsten Tag, dass der Familienmörder auch einen schwulen Geschäftsmann auf dem Gewissen hatte. Lukas hatte seit Dienstbeginn das Gefühl, misstrauisch von seinen Kollegen beäugt zu werden. In einem unbeobachteten Moment wählte er Melanies Handynummer.
»Wie konntest du das machen?«,
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