Verrat der Welten - Niven, L: Verrat der Welten - Betrayer of Worlds
besonders nicht hier, auf der neuen Welt. Aber die Wache zu tadeln, hätte nur ihre, Sr’os, herausgehobene Stellung unterstrichen. Der Wandel von einer auf Traditionen beruhenden Gesellschaft zu einer die auf Wissenschaft und Technik basierte, hatte schon genug Umwälzungen mit sich gebracht. Viel zu viele Kolonisten vermochten daher nicht auch noch Verhaltensweisen abzulegen, die ihnen lebenslange Gewohnheit in einer dynastischen Autokratie gewesen waren. Vielleicht wäre ja die nächste Generation dazu in der Lage.
Vorausgesetzt, die Kolonie würde überhaupt so lange Bestand haben.
»Ich danke Ihnen«, antwortete Sr’o nachsichtig. Sie beugte einen Tubakel über den Boden, um ihn nach einem Stein abzusuchen, der klein genug wäre, dass ihre überfürsorglichen Beschützer ihr erlauben würden, ihn zu heben.
Als eine unter vielen plagte Sr’o sich damit ab, eine weitere kleine Behausung zu bauen. Das traditionelle Gebäude aus aufeinandergeschichteten Steinen war nicht für sie gedacht. Ebenso wenig war es eines der anderen fünf Gebäude, an deren Bau Sr’o, wie symbolisch ihr Beitrag auch immer gewesen sein mochte, beteiligt gewesen war. Denn Sr’o selbst lebte abseits der anderen Gw’oth-Kolonisten in der riesigen Festung aus Metall. Körperliche Arbeit war Sr’o Lohn genug: eine Aufgabe, die ein absehbares Ende hatte. Eine Erholung. Eine Atempause.
Wesentlich öfter gesellte sich Sr’o, sobald sie das Bedürfnis nach körperlicher Entspannung verspürte, zu denen, die auf den Feldern zwischen Meeresschwämmen und ortsständigen Würmern wie Kelchwürmern, Kolonien bildenden Nesseltierchen und Schlickläufern arbeiteten. Kl’mos natürliche Fauna und Flora wuchs und gedieh in den Wassersäulen, die von den hydrothermalen Tiefseequellen aufstiegen. Das Spektrum an chemischen Verbindungen darin war außerordentlich reichhaltig. Für das Leben, das man von Jm’ho hierher gebracht hatte, von der Welt, von deren Ökosystem das Überleben der Kolonisten abhing, galt das nicht. Es war ein beständiger Kampf, die Setzlinge am Leben zu halten. Trotzdem, trotz aller arbeitsintensiver Eingriffe in den Lauf der Natur, kränkelten die Setzlinge immer mehr.
Sr’o war die führende Biologin der Kolonie. An ihr war es jetzt, den Grund dafür herauszufinden.
Nun, selbstverständlich konnte Sr’o die gemessen an einer ganzen Welt winzige Biospähre in einem Raumschiff bis in alle Ewigkeit darin unterstützen, im Gleichgewicht zu bleiben und zu funktionieren. Das galt auch für eine beliebige Anzahl der kleinen, sich selbst unterhaltenden Habitate, mit denen die unwirtlichen Welten des Heimatsystems besiedelt worden waren. Aber ein Ökosystem in ein anderes, bereits existierendes zu transplantieren? Das war doch wohl etwas gänzlich anderes! Und die Lage verschlechterte sich immer mehr. Nicht viel war ökologisch in der Kolonie im Gleichgewicht. Ungleichgewicht herrschte etwa zwischen kleinen Räubern und Gw’oth-Brut. Zu viele Münder, in der Entwicklung und daher obendrein von unbändigem Appetit, galt es zu stopfen ...
Sr’o hob Steinbrocken und schichtete sie auf, alles in der vagen Hoffnung, zumindest etwas dazu beizusteuern, dass die Kolonie prosperierte. Mit der Aufgabe waren Sr’os Tubakel beschäftigt und ausgelastet, nicht aber ihr Verstand. Ihre Gedanken blieben an dem schwierig zu lösenden Puzzle haften wie in einer Falle aus Fangarmen: Welche Nährsubstanzen waren für die Transplantate in unzureichender oder zu großer Menge vorhanden, welche toxisch? Exakt einzugrenzen, was zu den Schwierigkeiten führte – wobei sich die Umweltfaktoren für jede Spezies innerhalb des Ökosystems auf subtilste Weise unterschieden –, bedeutete langwierige und gewissenhaft durchzuführende Forschungsarbeit. Bis die Kolonie die Schwierigkeiten mit dem Ökosystem überwunden hätte, bräuchte sie Nahrungsmittellieferungen von Jm’ho und genetisch variante Laichtierbestände ebenso wie florales Zuchtmaterial von ... tja, eigentlich von allem, um das weiterhin fragile Ökosystem auf dem Meeresboden neu zu beleben.
Euer Weisheit? Sr’o fühlte sich alles andere als weise.
Ein zweite Wache schoss herbei, um Sr’o zu helfen. Du bist zu wichtig; wir dürfen nicht zulassen, dass du dich verletzt – das war es, was das fürsorgliche Verhalten der Wache Sr’o sagte.
Auf diese Weise an ihren eigentlichen Aufgabenbereich und ihre Pflichten der Kolonie gegenüber erinnert zu werden, war Sr’o alles andere als
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