Verrat im Zunfthaus
am Tischende saß und Colin in ihren Armen wiegte. «Franziska braucht noch Zeit, bis sie darüber hinwegkommt. Wahrscheinlich ist es besser, wenn sie nicht noch vor Gericht eine Aussage machen muss. Und man weiß auch nicht, wie viel das bringen würde. Wenn der Bastard an seinen Wunden stirbt, ist er aus der Welt.»
Überrascht über diese harten Worte sah Adelina zu ihrer Schwiegermutter hinüber.
Reese nickte. «Da mögt Ihr nicht ganz unrecht haben.» Er wandte sich Adelina zu. «Aber Magister Burka sagte mir, Ihr möchtet noch über etwas anderes mit mir sprechen? Ein Päckchen meines werten Cousins?»
Adelina reichte ihm den Brief und die Pfeilspitze.
«Ah ja, eindeutig die Handschrift meines Cousins. Und ganz seine Art, dieses Geschenk.» Entschuldigend lächelte er Benedikta an. «Wie Ihr gewiss schon vermutet habt, ist dies nicht die erste Liebesgabe Heinrichs.»
«Ihr könnt ja nichts für das Verhalten Eures Cousins, lieber Herr Reese», erwiderte Benedikta. «Aber sagt, stimmt es denn zumindest, dass er ins Bergische gefahren ist?»
«Ja, das mag stimmen. Soweit ich weiß, hat Heinrichdort Kundschaft.» Reese schüttelte resigniert den Kopf. «Er wird wohl niemals gescheit. Hat Eure Schwester den Brief gelesen?»
Benedikta verneinte.
«Gut, dann wäre es wohl auch für alle Beteiligten besser, wenn sie niemals davon erfährt.»
«Da sind wir einer Meinung, Herr Reese», sagte Benedikta. Reese nickte ihr zu und wandte sich noch einmal an Adelina. «Es stellt sich nun aber natürlich die Frage, woher die Geldkatze mit den Münzen und den Karfunkelsteinen stammt, die die Soldaten in Eurem Haus gefunden haben. Ganz offensichtlich gelangte sie ja nicht mit diesem Päckchen zu Euch.»
Adelina schüttelte nachdenklich den Kopf. «Kann es vielleicht sein, dass Caspar oder Laufer die Geldkatze bei mir versteckt haben, um den Verdacht auf mich zu lenken? Aus dem gleichen Grund, aus dem sie Griet entführt haben – um mich auszuschalten?»
«Ein guter Gedanke, Meisterin Burka. Aber nun muss ich mich entschuldigen. Ich sollte zurück ins Rathaus und sehen, was es Neues gibt. Sobald ich etwas erfahre, lasse ich Euch Bescheid geben», versprach Reese und verabschiedete sich.
21
Nach einer durchwachten Nacht machte sich die gesamte Familie am nächsten Morgen übermüdet auf den Weg zum Gaffelhaus. Nur Mira und Vitus waren einigermaßen ausgeschlafen, die anderen hatten vergeblich auf Nachricht von Reese gewartet. Dabei war es unwahrscheinlich, dass man Laufer bereits gefasst hatte. Wenn er sich tatsächlich in Siegburg aufhielt, würden die Soldaten frühestens im Laufe des heutigen Tages wieder in Köln sein, und auch das nur, wenn sie Hin- wie Rückweg in gestrecktem Galopp zurücklegen würden.
Adelina fürchtete sich davor, ihren aufgebahrten Vater zu sehen. In den vergangenen Tagen hatte sie seinen Tod und ihre Schuldgefühle weitestgehend verdrängt. Doch nun würde sie sich ihnen stellen müssen und außerdem der Familie und dem Gesinde zum Vorbild ihre Haltung wahren müssen.
Sie schämte sich, dass Alberts Totenwache nicht zu Hause abgehalten wurde. Natürlich hatte die Zunft diese Aufgabe gerne übernommen, nachdem bekannt geworden war, dass man Adelina zu Turme gebracht hatte. Welches Licht dies auf ihren guten Ruf als Apothekerin geworfen hatte und ob sich dies auf ihr Geschäft auswirken würde, mochte sie sich lieber nicht ausmalen.
Meister Leuer begrüßte sie an der Pforte des Gaffelhauses und führte sie in einen kleinen Raum, eine derSchreibstuben, die man zum Zweck der Totenwache ausgeräumt hatte.
Eine hölzerne, mit Leinentüchern bespannte Bahre stand in der Mitte des Raumes. Am Kopfende und zu beiden Seiten waren Kerzen aufgestellt worden, deren Licht beim Öffnen der Tür ins Flackern geriet. Einer der Mönche aus dem Benediktinerkloster Groß St. Martin stand mit gefalteten Händen neben der Bahre, zog sich jedoch leise zurück, als er die Besucher sah.
«Ich lasse Euch allein», sagte der Zunftmeister und nickte Adelina aufmunternd zu.
Sie sah kurz zu Neklas und trat dann zunächst allein zu ihrem Vater. Still betrachtete sie Alberts friedliches Gesicht mit den eingefallenen Wangen.
«Es tut mir so leid, Vater», flüsterte sie. «Du hast immer gesagt, ich soll mich aus anderer Leute Angelegenheiten heraushalten. Ich wollte nicht, dass das passiert.» Tränen brannten in ihren Augen. Zaghaft berührte sie mit den Fingerspitzen seine gefalteten Hände, in denen ein
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