Verrat in Paris
Dunkelheit des Parks, und ihr Verfolger musste handeln. Schon drang der helle Lichtschein von der Straße zu ihnen hinüber. Wenn wir losrennen, schaffen wir es, überlegte sie. Wir rennen unter den Bäumen her, und dann sind wir in Sicherheit, wieder unter Menschen. Sie machte sich bereit loszusprinten und wartete auf Richards Kommando.
Doch er machte keine plötzlichen Bewegungen. Auch ihr Verfolger nicht. Hand in Hand schlenderten sie und Richard scheinbar unbeschwert ins gleißende Licht der Rue de Rivoli.
Erst als sie in der Menge der Passanten untertauchten, normalisierte sich Beryls Puls wieder. Hier droht keine Gefahr mehr, versuchte sie sich zu beruhigen. Keiner würde es wagen, sie mitten auf einer belebten Straße anzugreifen.
Dann sah sie Richard an und bemerkte, dass seine Anspannung keineswegs gewichen war.
Sie überquerten die Straße und gingen bis zur nächsten Straßenecke.
»Bleib mal stehen«, sagte er. »Schau dir eine Weile das Schaufenster an.«
Sie blieben vor einem Schokoladengeschäft stehen. Durch die Scheibe sahen sie eine verführerische Auswahl an Konfekt: Himbeertörtchen, Trüffel und türkischer Honig, alles gebettet in ein Nest von Zuckerwatte. In dem Geschäft stand eine junge Frau an einem Bottich mit geschmolzener Schokolade, in den sie frische Erdbeeren tunkte.
»Worauf warten wir?« flüsterte Beryl.
»Mal sehen, was passiert.«
Sie starrte ins Schaufenster, in dem sich die vorbeigehenden Passanten spiegelten. Ein Paar, Hand in Hand. Drei Studenten mit Rucksäcken. Eine Familie mit vier Kindern.
»Wir gehen weiter«, entschied Richard nach einiger Zeit.
Sie schlenderten gemütlich die Rue de Rivoli in westlicher Richtung entlang. Sie erschrak, als er sie plötzlich nach rechts in eine Seitenstraße zog.
»Lauf los!« rief er.
Und plötzlich rannten sie. Sie bogen noch einmal scharf rechts ab und duckten sich unter einen Bogen. Im Schatten eines Hauseingangs zog er sie so nahe an sich, dass sie seinen Herzschlag an ihrer Brust und seinen Atem auf ihrer Stirn fühlte. Sie warteten.
Wenige Sekunden danach hörten sie Schritte. Die Schritte kamen näher, wurden langsamer. Plötzlich war nichts mehr zu hören. Starr vor Angst drückte sich Beryl fester gegen Richard und sah einen Schatten am Hauseingang vorbeigleiten. Die Schritte entfernten sich auf der Straße und verschwanden schließlich.
Richard schaute kurz die Straße hinunter, dann drückte er Beryls Hand. »Alles klar«, flüsterte er. »Lass uns verschwinden.«
Sie bogen auf die Castiglione und hörten erst auf zu rennen, als sie das Hotel erreicht hatten. Als sie sicher in ihrer Suite angekommen waren und Richard die Tür abgeschlossen hatte, fand sie wieder Worte.
»Was war das denn?« wollte sie wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es auch nicht.«
»Glaubst du, jemand wollte uns ausrauben?« Sie ging in Richtung Telefon. »Ich sollte vielleicht besser die Polizei rufen.«
»Es ging ihm nicht um unser Geld.«
»Was?« Sie sah ihn überrascht an.
»Denk doch mal nach. Er folgte uns selbst über die Rue de Rivoli, die voller Menschen war. Jeder normale Dieb hätte aufgegeben und wäre in den Park zurückgegangen. Aber er nicht. Er blieb an uns dran.«
»Ich habe ihn nicht mal gesehen! Woher weißt du denn, dass …«
»Ein Mann mittleren Alters, klein und stämmig. Ein Typ, an den man sich nicht erinnert.«
Sie starrte ihn an, und ihre Aufregung wurde wieder stärker. »Was sagst du da, Richard? Wir beide wurden gezielt verfolgt?«
»Ja.«
»Aber wieso sollte dich jemand verfolgen?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen.«
»Ich bin doch völlig uninteressant.«
»Vielleicht hat es damit zu tun, warum du nach Paris gekommen bist.«
»Das ist doch lediglich eine Familienangelegenheit.«
»Offensichtlich nicht. Immerhin wirst du von fremden Männern durch die Stadt verfolgt.«
»Woher willst du wissen, dass nicht du verfolgt wurdest? Du arbeitest schließlich für den CIA!«
»Falsch. Ich arbeite für mich selbst.«
»Das kannst du mir nicht erzählen! Ich bin praktisch im MI 6 groß geworden. Ich rieche euch Geheimdienstler kilometerweit!«
»Ach ja?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Und der Geruch hat dich nicht abgeschreckt?«
»Das wäre vielleicht besser gewesen.«
Er lief jetzt durchs Zimmer, rastlos wie ein Tier, schloss die Fenster, zog die Vorhänge zu. »Da ich deiner geschulten Nase offensichtlich nichts vormachen kann, kann ich es auch zugeben. Mein Job ist etwas weiter
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