Verrat und Verführung
kehren. Doch dann wurde sie von ihrem Stolz gezwungen, würdevoll die Schultern zu straffen. „Eines Tages“, begann sie kühl, „werdet Ihr vor mir auf den Knien liegen und mich anflehen, ich möge Euch diese ungeheuerliche Anklage verzeihen. Aber ich werde Euch nicht vergeben. Von mir dürft Ihr keine Gnade erwarten.“
Ehe sie sich abwenden konnte, umklammerte er ihren Arm. Beim Klang seiner leisen, heiseren Stimme drohte ihr das Blut zu gefrieren. „Solche Worte werdet Ihr niemals von mir hören. Wenn das alles vorbei ist, werde ich Euch sofort vergessen, als hättet Ihr meinen Lebensweg nie gekreuzt. Das nächste Mal werden wir uns vor Gericht treffen. Gewiss wird man Euch verurteilen. Bereitet Euch darauf vor, Euren Liebhaber hängen zu sehen. Und danach …“
Christina warf herausfordernd ihren Kopf in den Nacken. „Wie unverschämt Ihr seid, Lord Rockley! Ihr drängt mich in die Rolle der Verbrecherin und gesteht mir nicht einmal eine Anhörung zu! In dieser Grafschaft wird kein Friedensrichter, der sein Amt ernst nimmt, einen Angeklagten ohne eine gerechte Verhandlung verdammen.“ Höhnisch lachte sie ihn aus. „Würdet Ihr auf der Richterbank sitzen, wäre es Euch ein ganz besonderes Vergnügen, mich zusammen mit Buckley an den Galgen zu bringen.“
„Aye“, herrschte er sie an, „Ihr und Euer Bruder …“
Simon hätte weitergesprochen. Doch die geplante Schimpftirade wurde plötzlich unterbrochen, denn Christina – außer sich vor Wut – schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Verblüfft runzelte er die Stirn, dann starrte er sie genauso zornig an wie sie ihn, wobei sie nicht die geringste Reue empfand. Da er sie so niederträchtig beleidigt hatte, war sie gerade zu glücklich, weil sie ihm Schmerzen bereitete.
Mechanisch berührte er seine Wange, die sich rötete. Eine solche Strafe widerfuhr ihm anscheinend zum ersten Mal, und so war er sprachlos.
Christina musterte ihn zufrieden. „Vergesst mich, wenn Ihr dazu fähig seid, Mylord. Aber nach dieser Szene wird Euch das wohl kaum gelingen.“
Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, stand sie noch lange reglos da, den Blick auf die geschlossene Tür gerichtet. Allmählich spürte sie, wie die Kraft des Zorns aus ihr wich, von einem qualvollen Schmerz in ihrem Herzen verdrängt. Würde sie ihn jemals wiedersehen? Was spielte das für eine Rolle? Was bedeutete ihr sein Hass? Alles sinnlos …
Er hatte ihrer Seele eine zu grausame Wunde zugefügt. Was geschehen war, ließ sich nicht wiedergutmachen. Er verachtete und verabscheute sie – und das alles nur wegen eines Missverständnisses. Um es in knappen Worten, klipp und klar, zu beseitigen, war sie zu stolz gewesen. Und in seinem Eigensinn hatte Simon die Wahrheit gar nicht hören wollen.
Gewiss hätte er einen Beweis ihrer Unschuld verlangt, würde sie ihm etwas bedeuten. Aber sie interessierte ihn nicht im Mindesten, davon war sie jetzt überzeugt. Wenn sie den Zwischenfall aus seinem Blickwinkel betrachtete, hatte sie auf eine entschiedene Verteidigung verzichtet, weil sie sich schuldig fühlte. Welcher andere Grund konnte sie zu ihrem Verhalten bewegen?
Die Augen geschlossen, bezwang sie ihren inneren Aufruhr. Als sie die Lider wieder hob, holte sie tief Atem.
Wo mochte William sein? Nun musste sie ihn suchen.
Simon ritt zum Haus des Friedensrichters. Am nächsten Tag würde er die Tunnel und Höhlen unterhalb von Oakbridge inspizieren, wo Buckley sein Diebesgut verwahrt hatte. Immer noch von brennender Wut und Enttäuschung erfüllt, spornte er seinen Hengst zu einem wilden Galopp an und hoffte, das würde ihm helfen, seine Gedanken zu ordnen. Wenn er sich in einer solchen Stimmung befand und Ablenkung von seinem Zorn suchte, war ein rasanter Ritt das beste Mittel.
Nach dem bedrückenden Gespräch mit Christina fand er es am wichtigsten, die kalte, dunkle Leere in seinem Herzen zu vergessen.
Dazu war er unfähig. Er ritt an der Stelle vorbei, wo er sie geküsst hatte. Doch die Erinnerung an das Glück jenes Moments – wirklich erst an diesem Morgen? – verdüsterte seine Laune noch. Nur wenige Stunden konnten das Leben eines Mannes von Grund auf ändern.
Wie war das möglich? Eine Frau, die seine Liebkosungen so leidenschaftlich erwidert und zärtliche Gefühle in ihm erregt hatte – sogar Liebe –, gab sich wenig später schamlos einem anderen hin?
Wenn der Schein jener widerwärtigen Szene tatsächlich getrogen hatte, wenn sie unschuldig und von Buckley überwältigt
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