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Verraten

Verraten

Titel: Verraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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zwei Leuten bestand: Anna und dem Mann, der in Begleitung des Rotterdamer Russen gekommen war. Der junge Kerl mit der Baseballkappe war ein Leibwächter. Wahrscheinlich stand er jetzt hinter der Tür von Halle Nummer fünf, die Hand auf einer Zastava, und vertrieb sich die Zeit mit Warten.
    Sil zog die Beine an und stand auf. Reckte seine kalten Glieder. Rollte mit dem Kopf und mit den Schultern. Lockerte seine Muskulatur. Atmete mehrmals hintereinander tief ein. Überprüfte die HK. Schraubte den Schalldämpfer auf den Lauf. Schob mit dem Daumen den Sicherheitsriegel beiseite. Machte sich in Richtung der Lagerhallen auf den Weg.
    Bei Halle fünf angekommen, schmiegte er sich anderthalb Meter von der Tür entfernt an die Wand. Er legte sein Ohr an das kalte Metall des Spundwandprofils. Nichts. Er bückte sich, hob einen kleinen Stein auf und warf ihn gegen die Tür. Der Stein prallte von dem Metall ab. Vielleicht reichte das, um den Wachtposten zu alarmieren. Vielleicht auch nicht. Er wartete ein paar Minuten. Blieb reglos stehen. Nichts geschah. Er hob noch ein paar Kiesel auf und warf sie, diesmal fester. Gedämpftes Schlurfen hinter der Tür. Er drehte den Oberkörper mit einem Ruck in die Richtung, aus der das Geräusch kam, die HK mit gestrecktem Arm auf Augenhöhe haltend. Sein Herz pumpte das Blut mit einer solchen Geschwindigkeit durch seine Adern, dass er mit offenem Mund Luft holen musste, um genügend Sauerstoff aufzunehmen. Er versuchte, dabei kein Geräusch zu verursachen. Konzentrierte sich voll auf die Tür. Die HK lag fest in seiner Hand. Er brauchte nur ein paar Quadratzentimeter seines Ziels ins Visier zu bekommen. Nicht mehr. Er würde treffen. Sofort beim ersten Mal. Er sah, wie die Klinke zögernd hinuntergedrückt wurde. Hielt die Luft an und zielte an den Furchen auf dem Schlitten entlang wie ein Scharfschütze. Er wusste, er hatte nur eine Chance.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. Er drückte sofort ab. Der Schuss klang wie ein Peitschenknall und hallte weit über die umliegenden Wiesen. Die Tür ging weiter auf. Wurde von einem menschlichen Körper aufgeschoben, der langsam in sich zusammensank und zuckend zur Seite kippte. Sil ließ die Pistole sinken.
    Es war der junge Mann. Die Baseballkappe saß noch auf seinem Kopf. Er lag in einer merkwürdig verrenkten Haltung auf dem Klinker, kniend und dabei mit einer Schulter auf dem Boden. Einen Arm unter sich, den anderen ausgestreckt. Seine Hand umklammerte noch immer die Zastava. Sil sprang mit einem Satz nach vorn und schleifte den Jungen von der Tür weg. Zog ihm die Waffe aus der Hand, sicherte sie und steckte sie in die Seitentasche seiner Hose. Drehte die Leiche um. Dichte Brauen, darunter dunkelbraune Augen. Glasig starrten sie in den schwarzen Himmel. Das Geschoss war durch seinen Jackenärmel eingeschlagen, in der Mitte des Oberarms. Im orangefarbenen Stoff sah man nur ein kleines, rundes Loch, kaum einen halben Zentimeter groß. Sil hob den Arm des Jungen hoch. Darunter bot sich ein schlimmes Bild. Dunkle, nasse Flecken. Blut. Das Geschoss war quer durch seinen Arm und dann seitlich in seinen Oberkörper eingeschlagen und hatte dabei mehrere Hauptschlagadern verletzt. Oder das Herz. Der Junge war auf der Stelle tot gewesen.
    Die ganze Aktion hatte vielleicht fünf Minuten in Anspruch genommen. Rasch lief Sil zurück zur Tür. Nahm wieder dieselbe Position an dem kalten Spundwandprofil ein und wartete. Blieb fünf Minuten lang reglos stehen, die HK mit gestreckten Armen vor sich haltend. Nichts geschah. Entweder sie hatten da drinnen nichts gehört, oder sie wandten dieselbe Methode an wie er und warteten auf ihn.
    Nach weiteren fünf Minuten zwängte er sich durch die Türöffnung in die Halle hinein, presste sich gegen die Wand und ließ sich auf die Fersen hinunter. Es war dunkel. Das einzige Licht stammte von den Breitstrahlern draußen. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und er sah vor sich, in etwa zwei Metern Entfernung, eine Wand. Links von ihm war ebenfalls eine Mauer. Er befand sich in einem Gang. Er lauschte angestrengt. Doch wie sehr er sich auch konzentrierte, er hörte absolut nichts. Es war dunkel und still. Als sei keine Menschenseele weit und breit.
    Vorsichtig stand er auf und wandte sich nach rechts. Ließ seine behandschuhten Fingerspitzen an der Wand links von sich entlangwandern. Hielt die HK am ausgestreckten rechten Arm vor sich. Ging etwa zehn Meter weit und stand dann im Stockdunkeln.

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