Verraten
gebrauchen.«
Susan hielt den Beutel in der ausgestreckten Hand und schaukelte ihn hin und her. Sah fasziniert zu, wie ihr Blut langsam hineinfloss.
»Okay«, sagte Sven. »Es kann sein, dass dir ein bisschen schwindelig wird. Bleib sitzen, steh nicht auf, sonst kippst du um. Ich brauche ziemlich viel Blut. Gleich gebe ich dir eine Kochsalzlösung, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Bitte bleib sitzen und halte das Blut in Bewegung.«
Susan nickte. Stimmt, ihr wurde ein wenig schwindelig. Ihr war klar, dass das noch nicht durch den Blutverlust kommen konnte, sondern dass es eine rein psychische Reaktion war. Sie riss sich zusammen.
Sven war schon wieder verschwunden. Er kehrte mit einem großen, rechteckigen Röntgenbild zurück und hielt es vor die Spots an der Decke. Er zeigte es ihr. »Seine Schulter ist gebrochen«, erklärte er und fuhr dabei mit dem Finger über eine zackige, dunkelgraue Linie inmitten anderer grauer Schatten, in denen Susan keinerlei logischen Zusammenhang erkennen konnte.
»Und hier«, sagte er, auf einen auffälligen weißen Punkt deutend, »steckt das Geschoss. Ich werde ihn operieren. Das Geschoss muss raus. Und ich muss ein Blutgefäß nähen.«
Susan nickte. Ihr wurde immer flauer.
»Halt noch ein Weilchen durch«, ermutigte sie Sven mit einem Blick auf den Beutel und klopfte ihr auf die Schulter. »Ich glaube, du kannst schon noch ein bisschen entbehren.«
»Wie viel mehr?«
»Normalerweise spendet man fünfhundert Kubikzentimeter«, erklärte Sven. »Aber achthundert müssten noch völlig in Ordnung sein. Glaube ich.«
Entsetzt schaute sie erst ihn und dann die Nadel in ihrem Arm an, um die sich ein blauer Bluterguss gebildet hatte. Sie betrachtete den roten, gewundenen Schlauch, der von ihrem Arm in den Auffangbeutel führte, sah, wie dieser sich allmählich füllte, und versuchte, an etwas anderes zu denken. Mechanisch schaukelte sie den Beutel in ihrer Hand hin und her.
Kurz darauf kehrte Sven mit einer Metallkiste zurück, die er vor sich hertrug, als überbringe er ein Geschenk für einen Scheich. Er stellte die Kiste auf einen Tisch neben Sil und legte Susan einen Stapel versiegelter Plastikpäckchen auf den Schoß. Er zog einen Mundschutz an und schnürte die Bänder hinter dem Kopf zusammen.
»In dem obersten Päckchen sind sterile Handschuhe«, murmelte er hinter dem Mundschutz und ging wieder weg.
Sie hörte einen Wasserhahn. Schrubbgeräusche. Danach nichts mehr. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber laut der Uhr an der Wand war er höchstens zwei Minuten weg gewesen.
Als Sven wieder hereinkam, hielt er die Hände vor sich in die Luft, als bereite er sich auf einen Zaubertrick vor. Er roch streng nach Desinfektionsmittel.
»Meine Hände sind jetzt steril«, sagte er. »Bitte reiß mir ein Päckchen auf, sodass ich die Handschuhe herausnehmen kann, ohne die Verpackung zu berühren. So ist das Risiko am geringsten, dass ich eine Infektion verursache.«
Sie wusste, was er meinte. Legte den Blutbeutel auf die Knie und schaukelte ihn dort weiter hin und her. Riss eines der Päckchen auf und hielt ihm den Inhalt entgegen. Sven streifte die Handschuhe über.
»So, jetzt öffne bitte die unterste Verpackung.«
In diesem Beutel war Papier, das er über dem Instrumententisch neben Sil ausbreitete. Dann öffnete er die Metallkiste und holte Besteck heraus, das er streng geordnet auf dem sterilen Tuch auslegte. Er beugte sich über die Wunde.
Susan nahm den Blutbehälter wieder in die Hand. Er fühlte sich warm an und wurde immer schwerer. Sie beobachtete, wie Sven hochkonzentriert nach einem Skalpell griff. Sie hatte genug gesehen und wandte das Gesicht ab.
Sie fühlte sich immer benommener. Sie blickte sich in dem Zimmer um, versuchte, sich auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren, doch der Schwindel blieb. Sie befürchtete, ohnmächtig zu werden. Ja, sie würde jeden Moment umkippen. Es fühlte sich an, als würde die Nadel in ihrem Arm an ihr saugen, als würde sie regelrecht ausgesaugt. Und so war es ja im Grunde auch. Ihr gesamter Organismus protestierte gegen den Blutverlust. Alles drehte sich um sie, und ihr wurde flau. Dabei befürchtete sie am meisten, dass sie vom Stuhl fallen und Sven von seiner Arbeit ablenken könnte. Sie wollte, dass er sich ganz und gar auf Sil konzentrierte. Der brauchte seine Hilfe nötiger. Sie betrachtete den dunkelroten Beutel in ihrer flachen Hand. Er war drei Viertel voll und schien mindestens ein Kilo zu
Weitere Kostenlose Bücher